Seite - 30 - in Austrian Law Journal, Band 1/2021
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ALJ 2021 Lindenbauer 30
fremden, unbekannten dinglichen Rechten nicht überrascht zu werden. Daher ist die
Aufrechterhaltung des Publizitätsprinzipes als zusätzliches Element zum Schutz der
österreichischen Güterordnung zu nennen. Wäre dies nicht der Fall, so wäre der
Rechtfertigungsgrund des „Schutzes der Güterordnung“ völlig unbrauchbar, um die über
Jahrzehnte hinweg hervorgehobene Sonderstellung des Publizitätsprinzipes im
Mobiliarsicherheitenrecht45 und damit die österreichische Sachenrechtsordnung in ihrer
derzeitigen Form zu schützen. Der Rechtfertigungsgrund könnte dann beispielsweise nicht
herangezogen werden, um die Nichtanerkennung eines deutschen, publizitätslosen
Sicherungseigentumes zu rechtfertigen. Auch die österreichische Rechtsordnung kennt
schließlich ein Sicherungseigentum – nur eben kein publizitätsloses.46 Hält man sich die
zentrale Rolle des Publizitätsprinzips im österreichischen Sachenrecht sowie die dadurch zu
wahrenden Interessen des Rechtsverkehres vor Augen, so muss unter dem Schutz der
Güterordnung also nicht nur die Aufrechterhaltung des numerus clausus und des
Typenzwanges, sondern auch des Publizitätsprinzipes als solches verstanden werden.
2. Schutz der Gläubigerordnung
Als weiterer Zweck der Publizitätsvorschriften wird daneben immer wieder der Schutz der
Gläubigerordnung im Inland genannt.47 Darunter sollen sämtliche Regeln über jene
Befriedigungsrechte fallen, welche den Gläubigern bei einem Leistungsausfall an den
Gegenständen des Vermögens des Schuldners zustehen.48 In diesem Zusammenhang ist zu
beachten, dass ein Gesetzgeber nicht nur die Interessen von gesicherten, sondern auch von
ungesicherten Gläubigern durch eine entsprechende Ausgestaltung seines Sachen-,
Exekutions- und Insolvenzrechtes schützen kann.49 Die Einräumung der Möglichkeit einer
Bestellung von dinglichen Sicherheiten steht schließlich im Spannungsverhältnis zum
Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung.50 Mit dem in der Literatur vielfach genannten Ziel
des Schutzes der Gläubigerordnung sprechen die jeweiligen Autoren daher auch jene
Rechtspolitik des Staates an, welche ein angemessenes Verhältnis von gesichertem und
ungesichertem Kredit herstellen soll.51
Während im Zusammenhang mit dem Schlagwort der „Güterordnung“ vor allem die
Voraussetzungen und der Inhalt einzelner Sicherungsrechte im Zentrum stehen, ist mit der
Gläubigerordnung wohl insbesondere die Schaffung einer Rangfolge zwischen einzelnen
Gläubigern und Sicherungsrechten sowie in weiterer Folge der Schutz des Vertrauens, den
der Verkehr in diese Ordnung setzt, zu verbinden. Letztendlich sollen die
Rechtsunterworfenen durch den Schutz der Güter- und Gläubigerordnung darauf vertrauen
dürfen, dass im Inland befindliche Sachen nur mit dinglichen Rechten belastet sind, welche
einen durch die inländische Rechtsordnung gewährten Inhalt und Rang haben. Da das
45 Zur herausragenden Stellung des Publizitätsprinzipes im österreichischen Mobiliarsicherungsrecht s nur Faber, ZFR 2020,
282 mwN; Faber, Was tun im Recht der grenzüberschreitenden Mobiliarsicherheiten? in FS 40 Jahre IPRG (2020) 353 ff.
46 Vgl Lurger, Zak 2019, 125, wonach das Sicherungseigentum als solches mit gleichem Inhalt sowohl dem deutschen als auch
dem österreichischen System bekannt sei. Lediglich die Bedingungen für die Begründung und Aufrechterhaltung würden
sich unterscheiden.
47 So zB OGH 14.12.1983, 3 Ob 126/83, 3 Ob 127/83; Schacherreiter, ZfRV 2005, 181. Vgl daneben FN 40.
48 Schacherreiter, ZfRV 2005, 181.
49 Kieninger, ZEuP 2016, 206.
50 Vgl dazu Schacherreiter, ZfRV 2005, 181.
51 Flessner in FS Koziol 138 mwN.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal