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ALJ 2021 Mobiliarsicherheiten 39
insbesondere aus einer rechtlichen Ungleichbehandlung von im Hinblick auf die verfolgten
Ziele sachlich vergleichbaren Fällen ergeben.122 Im Fokus stehen dabei vor allem auch
sachlich nicht nachvollziehbare Ausnahmen, welche die gewünschte Wirkung einer
restriktiven Regelung untergraben.123 Dies zeigt beispielsweise ein Blick auf die Entscheidung
in Presidente del Consiglio dei Ministri. Hier ging es um eine von der Region Sardinien
insbesondere aus Umweltschutzgründen eingeführte Steuer auf touristische Landungen von
Flugzeugen und Booten. Besteuert wurden letztlich jedoch nur Unternehmen, die ihren
steuerlichen Sitz außerhalb Sardiniens hatten. Begründet wurde dies mit dem Umstand, dass
die Unternehmer der Region mit ihren Steuern ohnehin zur Finanzierung von
Umweltschutzprojekten beitrugen. Der Gerichtshof ließ dieses Argument jedoch nicht gelten
und verwies darauf, dass Umweltbelastungen durch Landungen von Flugzeugen und Booten
unabhängig von dem steuerlichen Sitz ihrer Betreiber hervorgerufen werden. Die
Unterscheidung zwischen den besteuerten Personen stünde in keinem Zusammenhang mit
dem vorgebrachten Umweltziel.124
Aufgrund von diversen Widersprüchlichkeiten zwischen Maßnahme und Zielsetzung wurde
vor Kurzem auch eine ungarische Regelung als unverhältnismäßig erachtet, welche ein ex
lege eintretendes Erlöschen von Nießbrauchsrechten an landwirtschaftlichen Flächen vorsah,
die zugunsten von anderen Personen als nahen Familienangehörigen bestellt wurden. Zwar
seien das von Ungarn vorgebrachte Ziel einer fachgerechten Bewirtschaftung
landwirtschaftlicher Flächen durch die Eigentümer sowie das Ziel, eine beständige
Bevölkerung in den ländlichen Gebieten zu erhalten, grundsätzlich als legitime
Rechtfertigungsgründe zu erachten.125 Wie der Gerichtshof betonte, vermag jedoch ein
zwischen dem Nießbraucher und dem Eigentümer verlangtes Verwandtschaftsverhältnis
„nicht sicherzustellen, dass der Nießbraucher das betreffende Grundstück selbst
bewirtschaftet und dass er das fragliche Nießbrauchsrecht nicht zu reinen
Spekulationszwecken erworben hat.“126 Ebenso könne „nicht von vornherein angenommen
werden, dass ein nicht zur Familie des Eigentümers gehörender Dritter, der einen Nießbrauch
an einem solchen Grundstück erworben hat, nicht in der Lage wäre, es selbst zu
bewirtschaften, und dass der Erwerb zwangsläufig zu reinen Spekulationszwecken und ohne
jede Bewirtschaftungsabsicht erfolgte.“127 Letztendlich trug also auch in diesem Fall eine
rechtliche Ungleichbehandlung von sachlich vergleichbaren Fällen zur Annahme einer
Unverhältnismäßigkeit der restriktiven Regelung bei. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam der
EuGH auch in einem kürzlich entschiedenen Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich,
in dem es um eine restriktive nationale Regelung ging, welche sachlich nicht nachvollziehbare
122 Siehe zB EuGH 17.11.2009, C-169/08, Presidente del Consiglio dei Ministri, Rn 42 ff; EuGH 3.3.2011, C-161/09, Kakavetsos-
Fragkopoulos, Rn 42 ff; EuGH 17.10.2002, C-79/01, Payroll, Rn 37. Vgl auch Streinz/Kruis, NJW 2010, 3747.
123 Vgl Frenz, EuR 2012, 348.
124 EuGH 17.11.2009, C-169/08, Presidente del Consiglio dei Ministri, Rn 33 ff, 42 ff.
125 EuGH 21.5.2019, C-235/17, Kommission/Ungarn, Rn 91.
126 EuGH 21.5.2019, C-235/17, Kommission/Ungarn, Rn 97.
127 EuGH 21.5.2019, C-235/17, Kommission/Ungarn, Rn 97.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal