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ALJ 2021 Mobiliarsicherheiten 45
3. Eigentumsvorbehalt
Während also sowohl § 452 ABGB als auch § 467 ABGB im Hinblick auf die Kohärenz des
österreichischen Publizitätserfordernisses als unbedenklich eingestuft werden können,
bedürfen die Auswirkungen der Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes noch einer näheren
Untersuchung. Der Eigentumsvorbehalt ist nämlich das einzige
Mobiliarsicherungsinstrument des österreichischen Rechtes, das nach heute ganz einhelliger
Auffassung keiner Publizität bedarf,159 weswegen die grundsätzlich strenge
Herangehensweise hier bereits nach innerstaatlichem materiellen Recht durchbrochen
wird.160 Die Anerkennung des Eigentumsvorbehaltes zeigt, dass publizitätslose Sicherheiten
der österreichischen Rechtsordnung nicht grundsätzlich fremd sind.161 Auf den ersten Blick
erscheint es daher denkbar, darin eine Inkohärenz zu erblicken.162 Da sich die Kritik in der
Literatur sowohl auf den Schutz der Güter- und Gläubigerordnung als auch auf den
Gläubigerschutz bezieht, wird die Kohärenz im Hinblick auf die oben bereits erläuterten
möglichen Rechtfertigungsgründe für die Nichtanerkennung ausländischer publizitätsloser
Mobiliarsicherheiten durch Österreich nun getrennt beleuchtet.163
Vorweg sei jedoch nochmals betont, dass nicht jede Ausnahme von einer grundsätzlich
restriktiven Regelung per se bereits eine Inkohärenz begründet, sondern der EuGH bei der
Kohärenzprüfung insbesondere darauf abstellt, ob eine solche in Anbetracht des jeweiligen
Zieles sachlich gerechtfertigt ist.164 Eine sachliche Rechtfertigung für die Ausnahme des
Eigentumsvorbehaltes vom grundsätzlich strengen Publizitätsprinzip und damit dessen
Sonderbehandlung im Vergleich zu sonstigen Mobiliarsicherheiten wie dem Pfandrecht oder
Sicherungseigentum könnte insbesondere im funktionalen Unterschied der verschiedenen
Sicherungsmittel liegen. Während nämlich sowohl das Pfandrecht als auch das
Sicherungseigentum an einer Sache begründet werden, welche sich bereits im Vermögen des
Kreditnehmers befindet, so ist dies beim Eigentumsvorbehalt nicht der Fall: Hier behält sich
der Verkäufer das Eigentum bloß zur Kaufpreissicherung165 zurück.166 Die Sache hat sich hier
159 Faber, Eigentumsvorbehalt und Publizität. Zwischen wirtschaftlichem Bedürfnis und dogmatischer Wertungskohärenz, ALJ
2015, 212 (213). Zur publizitätslosen Wirksamkeit des Eigentumsvorbehaltes vgl etwa auch Aigner, ÖJZ 2016, 294 f; Aicher
in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1063 ABGB Rz 33; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1063 Rz 19;
Apathy/Perner in KBB6 § 1063 Rz 8. Aufgrund deren Ähnlichkeit zum Eigentumsvorbehalt sind uU auch bestimmte
Finanzierungsleasingkonstruktionen rechtlich weitgehend wie Eigentumsvorbehalte zu behandeln und daher ebenfalls als
publizitätsloses Mobiliarsicherungsinstrument zu nennen. Siehe dazu Faber, Mobiliarsicherungsrecht 187; Fischer-Czermak,
Mobilienleasing – Rechtsnatur, Gewährleistung und Gefahrtragung (1995) 71 ff, 162 f; Duursma-Kepplinger,
Eigentumsvorbehalt und Mobilienleasing (2002) 236 ff (247). Die folgende Diskussion wird jedoch insbesondere in Bezug
auf den Eigentumsvorbehalt geführt.
160 Kieninger, AcP 208 (2008), 202; Oberhammer/Domej in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 452 Rz 2.
161 Schacherreiter, ZfRV 2005, 178.
162 Vgl FN 9.
163 Dies entspricht im Übrigen auch der Vorgangsweise des EuGH, welcher die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die
vorgegebenen Ziele grundsätzlich getrennt untersucht. Vgl zB EuGH 10.3.2009, C-169/07, Hartlauer, Rn 47 ff, 60 ff;
EuGH 21.5.2019, C-235/17, Kommission/Ungarn, Rn 91 ff.
164 Vgl oben bei FN 123 sowie FN 132.
165 Unter „Kaufpreissicherung“ wird im Folgenden sowohl die Sicherung der Kaufpreisforderung als auch die Sicherung eines
möglichen Bereicherungsanspruches auf Rückgabe der Kaufsache verstanden. Zum Sicherungsumfang des
Eigentumsvorbehaltes vgl Schwartze in Klang3 § 1063 ABGB Rz 30 mwN.
166 Faber, ÖBA 2019, 404. Vgl zB auch Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1063 Rz 19.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal