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ALJ 2021 Mobiliarsicherheiten 55
publizitätslosen Mobiliarsicherheiten zum Schutz potentieller Gläubiger sowohl geeignet als
auch erforderlich ist.
d. Schuldnerschutz
Als weiteren möglichen Rechtfertigungsgrund soll abschließend noch auf das potentielle Ziel
des Schuldnerschutzes eingegangen werden. Hierbei ist zunächst vor allem auf die kritischen
Ausführungen des OGH hinzuweisen. In seiner jüngsten Entscheidung stand er einer
Rechtfertigung mit dem Schutz des Schuldners vor einer leichtfertigen Kreditaufnahme eher
ablehnend gegenüber, weil „sich an einer allfälligen leichtfertigen Kreditaufnahme des
Verpflichteten durch den späteren Wegfall der Sicherung nichts ändern“ würde.215
Diese Ansicht des OGH klingt auf den ersten Blick zwar schlüssig. Es gilt jedoch zu bedenken,
dass das Publizitätsprinzip stets nur die Wirksamkeit der dinglichen Sicherung und nicht jene
des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses betrifft. Es erscheint daher geboten, das
mögliche Ziel des Schuldnerschutzes nochmals ein wenig näher zu betrachten:
Grundüberlegung ist offenbar, dass Kreditgeber für den Abschluss eines Kreditvertrages idR
Sicherheiten verlangen und dem potentiellen Schuldner die Tragweite seiner Entscheidung
eher vor Augen geführt wird, wenn ihm die jeweils zur Besicherung vorgesehene Sache
tatsächlich aus seiner Gewahrsame „weggenommen“ wird, als wenn die Sache bei ihm
verbliebe. Auf Basis dieser Überlegung erscheint das Publizitätsprinzip als solches dem
Grunde nach durchaus geeignet, vor übereilter Bestellung von Sicherheiten und damit
indirekt auch vor übereilter Kreditaufnahme zu schützen. Wenn aber die Nichtanerkennung
publizitätsloser Sicherheiten durch die österreichische Rechtsordnung prinzipiell geeignet ist,
den Schuldner vor Übereilung zu schützen, dann erscheint es nur konsequent, auch
ausländische publizitätslose Sicherheiten nicht anzuerkennen, weil sonst genau dieses Ziel
unterminiert werden könnte.
Fraglich ist nun jedoch wiederum, ob nicht durch die Anerkennung des publizitätslosen
Eigentumsvorbehaltes eine Inkohärenz begründet wird. Hierzu ist anzumerken, dass in Bezug
auf den Eigentumsvorbehalt durchaus eine andere Ausgangslage besteht als bei einer
„üblichen“ Verpfändung. Die strengen Publizitätserfordernisse mögen zwar uU auch darauf
abzielen, den Schuldner vor unüberlegten Kreditaufnahmen unter Belastung seines
Vermögens zu schützen. Eine solche Gefahr besteht bei einem Eigentumsvorbehalt jedoch
nicht. Dieser kann sich nämlich nicht auf irgendwelche Vermögensgegenstände beziehen,
sondern nur auf eine konkrete Kaufsache, welche darüber hinaus noch gar nie im Eigentum
des Schuldners stand. Auch die Höhe der Haftungssumme lässt sich nicht beliebig festlegen,
sondern ist mit dem Kaufpreis begrenzt.216
Bei einem Kauf unter Eigentumsvorbehalt besteht daher zwar allenfalls die Gefahr, die
Kaufsache bei Nichtbezahlung derselben zu „verlieren“. Alle anderen Sachen im Vermögen
des Schuldners können jedoch schon aufgrund der Natur des Eigentumsvorbehaltes von
215 OGH 3 Ob 249/18s. Vgl auch Lurger, IPRax 2019, 563.
216 Vgl insb die Ausführungen bei FN 165 ff.
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Austrian Law Journal
Band 1/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 1/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 59
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal