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ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und Publizität 220
in der Kodifikationsepoche generell verbreiteten Motive für die Hinwendung zum Faustpfand-
prinzip auch für die österreichische Gesetzgebung mit von Bedeutung waren; darunter insb eine
„Stärkung“ des mobiliarunterlegten Realkredits durch Bereitstellen einer „sicheren“ dinglichen Sicher-
heit im Gegensatz zur früher vorherrschenden römisch-gemeinrechtlichen Mobiliarhypothek, die
aufgrund mannigfaltiger Auswüchse (Verbreitung von Generalhypotheken, zum Teil von Gesetzes
wegen angeordnet und mit Rangprivilegien ausgestattet) zunehmend als unsicher und letztlich
untragbar empfunden wurde.37 Allein, dass man dabei Pfandrechte für bestimmte Kreditzwecke
vordringlich im Auge gehabt hätte bzw umgekehrt bestimmte Kreditzwecke (etwa Investitions-
kredite) keine nennenswerte Rolle gespielt haben könnten, lässt sich, soweit ich sehe, für die Zeit
bis zur Gesetzwerdung des ABGB nicht verifizieren.
Anderes gilt allerdings für die Entstehungszeit des deutschen BGB. Dies mag hier zumindest mittel-
bar interessieren, da für das deutsche Recht trotz kontroversieller Diskussion ebenfalls eine
bewusste Entscheidung zugunsten strikter Publizitätsanforderungen im Pfandrecht getroffen,
gleichzeitig aber (neben dem Sicherungseigentum) der Eigentumsvorbehalt publizitätslos zuge-
lassen wurde und das österreichische Recht letztere Entscheidung vom deutschen Vorbild über-
nommen hat. In dieser deutschen Diskussion um die Publizitätspflicht beim Mobiliarpfand (und
Sicherungseigentum) hat nun bspw die Drittpfandbestellung überhaupt keine erkennbare Rolle
gespielt. Wurden konkrete Problemlagen erörtert, ging es stets um die dingliche Sicherung eigener
Verbindlichkeiten. Dabei standen Beispiele für den oben angesprochenen Investitionskredit, bei
dem durch Anschaffung des Investitionsguts der Haftungsfonds insgesamt in etwa gleichbleibt,
interessanterweise geradezu im Vordergrund: Der Fabrikant kann unter Geltung des Faustpfand-
prinzips seine wertvollen Maschinen, der Handwerker seine Werkzeuge nicht zur Anschaffung
neuer Produktionsmittel verpfänden, ebenso wenig der Landwirt seine Herde zwecks Erweiterung
seines Viehbestands.38 In all diesen Fällen würden im Gegenzug zur Pfandbelastung neue, idR
dauerhafte und wertbeständige Güter in das Schuldnervermögen treten. Fasst man den Gedanken
des in etwa konstanten Haftungsfonds etwas weiter, so lässt sich darin im Übrigen noch eine
weitere Konstellation unterbringen, für die in der damaligen Diskussion das strenge Faustpfand-
prinzip als Problem identifiziert wurde: der dringende kurzfristige Liquiditätsbedarf zur Deckung
einer fälligen Verbindlichkeit, deren Gläubiger ansonsten Zwangsvollstreckung in das Schuldner-
vermögen zu führen gewillt ist. Auch hierfür kann das uU reichlich vorhandene Mobiliarvermögen
als Kreditgrundlage nicht nutzbar gemacht werden.39 Evidentermaßen träte hier im Gegenzug zur
Pfandbelastung kein neuer Vermögenswert in das Schuldnervermögen, sondern die Kreditsumme
würde zur Tilgung einer bereits bestehenden Verbindlichkeit verwendet. Der dem Zugriff sonstiger
Gläubiger offenstehende Haftungsfonds wäre im Ausmaß der Pfandbelastung verringert. Derselbe
37 Umfassend zur Entwicklung in deutschsprachigen Ländern (mit Ausnahme Österreichs) Hromadka, Faustpfand-
prinzip 41 ff; ders, Geschichtliche Beiträge zu Fragen des Faustpfandprinzips im schweizerischen Zivilgesetzbuch,
ZSR 111 (1970) 117; zusammenfassend W. Faber, Mobiliarsicherungsrecht II.B.1.1. (allgemein) und II.B.1.3.1. (zur
ABGB-Gesetzgebung), alle mwN. Vgl ferner oben FN 11 und 12.
38 Vgl etwa Leonhard, Ueber die Gefahren einer Beseitigung der Verpfändung beweglicher Sachen durch bloßen
Vertrag nebst einem Anhange über die beabsichtigte Beseitigung des constitutum possessorium, Gruchot 25
(1881) 177, 513 (insb 193 f, 216 ff); Cohen, GrünhutsZ 21, 728 ff, insb 730; ferner Wernick, Pfandrecht an beweglichen
Sachen und Rechten, in Adams/Wilke/Mecke/Hartmann/Erythropel (Hrsg), Gutachten aus dem Anwaltstande über
die erste Lesung des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuchs, H V (1888) 376 (379 ff). Generell steht das Kredit-
bedürfnis der Fabrikanten, Handwerker, Kaufleute und Landwirte, denen durch das strikte Faustpfanderfordernis
die Möglichkeit zur Verpfändung von Inventar, Maschinen, Warenlagern, Rohstoffen, Fahrzeugen, Vieh und ande-
rem praktisch abgeschnitten wird, im Zentrum der Diskussion; vgl Hromadka, Faustpfandprinzip 170 mwN.
39 Vgl wiederum Leonhard, Gruchot 25, 194 f; Wernick, Gutachten 380.
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal