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ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und PublizitÀt 226
umso mehr, als wegen der rechtsgeschÀftlichen Regelung auch keine Abgrenzungsschwierigkeiten
bezĂŒglich der Reichweite des Vorrechts auftreten könnten.58
Damit sind zunÀchst jedenfalls zwei zutreffende Beobachtungen benannt: Die Forderung steht
mit dem Sicherungsmittel in einem besonderen Zusammenhang; der ursprĂŒnglich dem VerkĂ€ufer
zustehende Vermögenswert setzt sich in der Kaufpreisforderung und wertmĂ€Ăig gewissermaĂen
korrelierend in dem diese sichernden, nun auflösend bedingten Eigentum fort. Es ist auch richtig,
dass sich vergleichbare Feststellungen in Bezug auf ein Pfandrecht fĂŒr eine beliebige Forderung
nicht treffen lassen.59 Nicht ganz so offensichtlich ist jedoch, warum diese UmstÀnde ausgerechnet
publizitĂ€tsrelevant sein sollten. LieĂe man publizitĂ€tslose PfĂ€nder und Sicherungseigentum zu: Man
sÀhe einer im Besitz des Schuldners befindlichen Sache nicht an, ob sie eine Kaufpreisschuld,
eine andere Schuld oder gar keine Schuld sichert (auĂer vielleicht, der Beobachter hat zusĂ€tzlich
Kenntnis von dem Umstand, dass die Sache erst unlÀngst angeschafft worden ist, in welchem Fall
ein Eigentumsvorbehalt vergleichsweise nahe liegen könnte). Der Wertverfolgungsgedanke impli-
ziert ein Absehen von PublizitÀtserfordernissen nur insofern, als dann, wenn man seine Wirkung
in der Insolvenz aus Wilburgs GerechtigkeitserwÀgungen annimmt, sich hieraus zwangslÀufig eine
Wirksamkeit des Eigentumsvorbehalts an sich ergibt60, ohne die PublizitÀtsfrage selbst positiv
gestellt zu haben.61
Man kann natĂŒrlich auch einen Schritt weiter gehen und die Legitimation des Wertverfolgungs-
ansatzes fĂŒr die Lösung der vorliegenden Rechtsfrage schon im Grundsatz infrage stellen. Ohne
ĂŒber Wilburgs Lehre im Allgemeinen urteilen zu wollen, seien hierzu folgende Beobachtungen als
DiskussionsansÀtze festgehalten: Wilburg sieht als möglichen Einwand gegen seine Theorie deren
Konflikt mit dem Grundsatz der par conditio creditorum voraus, dessen Ansehen sich darauf
grĂŒnde, dass er sich gegen den âanarchischen Wettlauf unter den GlĂ€ubigernâ des Schuldners
wende. Diesem Einwand hĂ€lt er entgegen, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz eine âVerlegen-
heitsregelâ darstelle, die einem stĂ€rkeren Prinzip â konkret dem der Wertverfolgung â eben weichen
mĂŒsse.62 Auch ein solch âstĂ€rkeres, innerlich begrĂŒndetes Prinzipâ muss natĂŒrlich das Problem
bewĂ€ltigen, dass das Vermögen des Schuldners nicht fĂŒr die AnsprĂŒche sĂ€mtlicher GlĂ€ubiger
zureicht, und Kriterien bereitstellen, die ĂŒber Schutz oder Verlust entscheiden. Wilburgs Kriterium
besteht darin, dass ein Wert des GlÀubigers in das Vermögen des Schuldners gelangt und dort
58 F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 464.
59 Mit AbschwÀchungen allerdings sehr wohl bei Pfandbestellung zwecks Anschaffungsfinanzierung: Die vom
Finanzierer gewĂ€hrten Kreditmittel setzen sich gewissermaĂen im finanzierten Gegenstand fort. Die AusprĂ€gung
des Wertverfolgungsgedankens ist hier lediglich insoweit geringer, als der Finanzierer zuvor nicht auch noch Eigen-
tĂŒmer der anzuschaffenden Sache gewesen sein muss.
60 Der fĂŒr eine Ableitung der PublizitĂ€tslosigkeit aus dem Wertverfolgungsgedanken erforderliche Argumentations-
gang ist damit folgender: WÀre der Eigentumsvorbehalt von vornherein unwirksam, könnte er in der Insolvenz
keine Wirkung entfalten. Umgekehrt muss er also generell (dh auch im Hinblick auf allfÀllige PublizitÀtsgesichts-
punkte) wirksam sein, wenn quasi als Ausgangspunkt â aufgrund des Wertverfolgungsgedankens â sogar seine
Insolvenzfestigkeit feststeht. Ăber die PublizitĂ€tsfrage an sich muss man hierfĂŒr nicht diskutiert haben.
61 Bezeichnenderweise ist Wilburg, der den möglichen Einwand der PublizitÀtslosigkeit gegen seine Wertvorrechts-
lehre voraussah, diesem Einwand mit einem Argument begegnet, das die Berechtigung des PublizitÀtsprinzips
per se von Grund auf in Frage stellt: Ein Personalkreditgeber dĂŒrfe sich âauch nach geltendem Recht nicht auf das
verlassen, was man Ă€uĂerlich als Vermögen des Schuldners sieht. Der Kreditgeber kann nicht wissen, ob die Sachen,
die der Schuldner besitzt, wirklich ihm gehören, und ebenso weià er nicht, wieviele andere GlÀubiger möglicher-
weise mit ihm konkurrieren.â Siehe Wilburg, JBl 1949, 30.
62 Siehe abermals Wilburg, JBl 1949, 30.
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-UniversitÀt Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal