Seite - 228 - in Austrian Law Journal, Band 2/2015
Bild der Seite - 228 -
Text der Seite - 228 -
ALJ 2/2015 Eigentumsvorbehalt und Publizität 228
Mayrhofer, dem der hier diskutierte Begründungsansatz häufig zugeschrieben wird, begründet
die vergleichsweise leichte Feststellbarkeit des Eigentumsvorbehalts denn auch mit etwas abwei-
chendem Gehalt: Beim Eigentumsvorbehalt seien die Geschäftspartner des Käufers (Schuldners)
„durch Überprüfung der Rechnungen und Zahlungsbelege über den Ankauf der Sachen faktisch
in der Lage, das Bestehen von Vorbehaltseigentum und dessen Erlöschen […] festzustellen. Bei
der Sicherungsübereignung (und auch bei der Verpfändung) haben die Gläubiger keine derartige
Möglichkeit der Prüfung“67. Daran ist sicher richtig, dass anhand derartiger Unterlagen Existenz
und Untergang eines Eigentumsvorbehalts überprüft werden können. Aber die Differenzierung
scheint nicht allzu plausibel: Auch eine Pfandbestellungsurkunde schafft in Verbindung mit Rück-
zahlungsbelegen Klarheit über das Bestehen der Sicherheit.68 Die verfügbaren Informationsquellen
dürften also für sich genommen typischerweise in etwa gleichwertig sein; insoweit ergibt sich
also noch kein relevanter Unterschied.
Allein die Existenz vergleichsweise valider Informationsquellen garantiert aber auch nicht, dass
diese von Gläubigern faktisch (leicht bzw überhaupt) genutzt werden können, wie dies für den
von Mayrhofer vorgebrachten Begründungsansatz hinsichtlich des Eigentumsvorbehalts konstitutiv
wäre. Jegliche Unterlagen bekommt der Drittinteressent nur zu Gesicht, wenn der Schuldner Ein-
sicht gewährt. Warum er diesbezüglich beim Eigentumsvorbehalt signifikant großzügiger agieren
sollte als bei Pfandbestellungen, ist nicht recht ersichtlich. Riedler weist völlig zutreffend darauf
hin, dass gerade in Fällen des gestuften Warenabsatzes ein (Weiter-)Verkäufer regelmäßig wenig
Antrieb verspüren wird, seine Einkaufsquellen und Einkaufsrechnungen offenzulegen, um damit
seine Gewinnspanne bekanntzugeben69 und dem Abnehmer vielleicht auch gleich den Weg zu
weisen, wie er sich diese durch künftigen Direktbezug allenfalls sparen könnte. Insoweit – also
gegenüber solchen Personen, die an den betreffenden Gegenständen Eigentum erwerben möchten –
ist somit gerade keine eklatant höhere Auskunftsbereitschaft von Vorbehaltskäufern im Vergleich
zu Pfandbestellern zu erwarten.70 Gleiches wird im Ergebnis, wenngleich aus anderen Gründen,
im Hinblick auf die zweite hier praktisch bedeutsame Kategorie von Gläubigern gelten, nämlich in
Bezug auf (potenzielle) ungesicherte Gläubiger. Solchen Geschäftspartnern werden dingliche
Belastungen am Mobiliarvermögen ja generell kaum offengelegt. Ob die Belastung im Einzelfall in
einem Eigentumsvorbehalt oder (soweit rechtlich möglich)71 einem Pfandrecht besteht, wird
diesbezüglich keine signifikante Rolle spielen.
67 Mayrhofer, ÖJZ 1969, 202; zustimmend F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 461 f.
68 Dem denkbaren Gegenargument, dass der Schuldner (hier der Vorbehaltskäufer) zwar idR Rechnungen über den
Eigentumserwerb einer Sache haben werde, wohingegen eine Pfandbestellungsurkunde beim Schuldner gar
nicht vorhanden sein müsse (auch für diesen Diskussionspunkt danke ich Univ.-Prof. Dr. Christian Holzner, Uni-
versität Linz), kommt mE nur wenig Gewicht zu: Mobiliarpfänder werden (für Österreich: würden) heute ganz
überwiegend für eigene Verbindlichkeiten bestellt, sodass Personalschuldner und Sicherungsgeber ident sind.
Über eine Bestellungsurkunde wird der Sicherungsgeber im eigenen Interesse idR ebenso verfügen wie über
Nachweise erfolgter Tilgungen. Was beim Eigentumsvorbehalt das Interesse am Nachweis seines Erlöschens
durch Vollzahlung ist, ist hier das Interesse am Erlöschen bzw an der Reduktion der Pfandhaftung.
69 Riedler in FS 200 Jahre ABGB 1389.
70 Für bestimmte praktisch relevante Fälle liegt sogar eher das Gegenteil nahe: Ein Produzent, der am Lager seiner
produzierten Waren ein Pfandrecht für einen Bankkredit begründet, hat vergleichsweise wenig Veranlassung,
über die Person des Gläubigers und das Ausmaß der gesicherten Verbindlichkeiten Stillschweigen zu bewahren.
Er würde damit zwar das Bestehen einer Fremdfinanzierung offenlegen, gäbe jedoch keine für den Fortbestand
seines Unternehmens allenfalls essenziellen Betriebsgeheimnisse preis.
71 Also zB an einem Warenlager, das auch nach österreichischem Recht grundsätzlich durch „Zeichen“ iSd § 452 ABGB
verpfändet werden kann, oder unter hypothetischer Geltung eines Registerpfandrechts.
zurück zum
Buch Austrian Law Journal, Band 2/2015"
Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal