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ALJ 2/2015 Andreas J. Kumin 259
gang Mantl. Er war es, der mir den Blick geschärft hat für die Bedeutung der politischen Zusam-
menhänge, die hinter den verschiedenen Systemkonstruktionen von Verfassungen im weitesten
Sinne stehen und die auf die Anwendung dieser Rechtssysteme und ihrer Regeln einwirken. Diese
gemeinsame Feier unserer beiden Schwesterinstitute lässt mich aber auch mit Freude zurück-
denken an mein Studium des Völker- und des Europarechts am Institut im Dachgeschoß in der
Hans-Sachs-Gasse unter dem leider schon verstorbenen Konrad Ginther, den heute hier anwe-
senden Wolfgang Benedek und Renate Kicker sowie Hubert Isak, dem maßgeblicher Anteil an meinem
Erwerb der Kenntnisse im und am Wecken meiner Begeisterung für das Europarecht zukommt.
Nicht zuletzt ihre praxisnahe und problembezogene Ausbildungsmethode und die Exkursionen zu
diversen internationalen Organisationen und Gerichtshöfen in Straßburg, Luxemburg und Genf
waren es, die in mir endgültig die Leidenschaft für die Welt der internationalen Beziehungen
entfacht haben. Beide Ansätze, jener des öffentlichen Rechts, der Politikwissenschaft und der
Staatslehre einerseits und jener des Zusammenspiels der Staaten auf der internationalen Bühne
andererseits, prägen meine schon 25 Jahre dauernde Tätigkeit im Auswärtigen Dienst mit eindeu-
tigem Schwerpunkt für die multilaterale Diplomatie und die Funktionsweise der Europäischen
Union. Dass ich daher diesen Festakt gemeinsam mit meinem langjährigen Weggefährten in der
Rechtsberatung und heutigen Vorgesetzten im Völkerrechtsbüro Helmut Tichy begehen darf, rundet
für mich dieses Beziehungsgeflecht an mich fördernden und unterstützenden Persönlichkeiten,
die mich nachhaltig geprägt haben, in geradezu vollkommener Weise ab.
I. Einleitung
Anschließend an die Ausführungen Helmut Tichys soll der Beitrag der Frage nachgehen, inwiefern
die Europäische Union im Bereich der Rechtsstaatlichkeit den aktuellen Herausforderungen auf
der Höhe der Zeit und den von ihr selbst erhobenen Ansprüchen gewachsen ist und welche Poten-
ziale bzw Risiken sich für sie hier gegenwärtig auftun.
Die Europäische Union ist bekanntlich auch nach ihrer eigenen Definition eine „Union des
Rechts“. Wie so oft im Zuge der Entwicklung der europäischen Integration war es der Europäische
Gerichtshof (EuGH), der mit seiner Rechtsprechung in Les Verts/Parlament2 als erster schon im
April 1986 klar- und außer Streit gestellt hat, was die Mitgliedstaaten als sogenannte „Herren“ der
Gründungsverträge dort erst einige Jahre später ausdrücklich in zahlreichen Bestimmungen schrift-
lich verankert haben. Heute stützen wir uns vor allem auf die in den Verträgen aufgezählten
Grundwerte der EU, auf die Grundsätze über die Ausübung ihrer Zuständigkeiten sowie äußerst
detaillierte Bestimmungen zu den Annahmeverfahren und zu möglichen Inhalten von Unions-
maßnahmen, um sicherzugehen, dass die in viele Bereiche des modernen Lebens gleich einem
Staat eingreifende Europäische Union als verfassungsgemäß begrenzte Macht funktioniert. Wie
der Leiter des Juristischen Dienstes des Rates letzten Herbst in seiner Rede vor der Generalver-
sammlung des European Law Institute (ELI) ausgeführt hat3, bedeutet diese der Herrschaft des
Rechts verschriebene Eigenschaft der EU zweierlei:
2 EuGH 23. 4. 1986, 294/83, Les Verts/Parlament.
3 Legal, Keynote address to the General Assembly of ELI, Zagreb, September 2014, http://www.europeanlaw-
institute.eu/fileadmin/user_upload/p_eli/General_Assembly/2014/Keynote_Speech_Hubert_Legal.pdf (abgefragt am
10. 7. 2015).
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Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal