Seite - 268 - in Austrian Law Journal, Band 2/2015
Bild der Seite - 268 -
Text der Seite - 268 -
ISSN: 2409-6911
(CC-BY) 3.0 license
www.austrian-law-journal.at
Fundstelle: Mühlbacher, Geschworenengerichte – unbegründete Sorge?, ALJ 2/2015, 268–276 (http://
alj.uni-graz.at/index.php/alj/article/view/49).
Geschworenengerichte – unbegründete Sorge?
Thomas Mühlbacher*, Universität Graz
Kurztext: Das Fehlen der Begründung des Wahrspruches der Geschworenen ist zunehmender
Kritik ausgesetzt und Hauptargument für die Forderung nach der Abschaffung der Geschwo-
renengerichte. Die Abhandlung beschäftigt sich mit dem gegenwärtigen Diskussionsstand und
der Suche nach Möglichkeiten, diesen systembedingten und daher nicht sanierbaren Mangel
wenigstens zu mildern.
Schlagwörter: Geschworenengericht; Urteilsbegründung; faires Verfahren; Begründungspflicht.
I. Ausgangslage
Unlängst erging das Urteil eines Geschworenengerichtes, mit dem der Angeklagte zu einer langjäh-
rigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Da es sich um einen Jugendlichen handelte, wurde die Öffent-
lichkeit gemäß § 42 Abs 1 JGG von der Hauptverhandlung ausgeschlossen. Die Urteilsbegründung
lautete wie folgt: „Der Schuldspruch gründet sich auf den Wahrspruch der Geschworenen. Bei der
Strafbemessung waren folgende Umstände als erschwerend und als mildernd in Anschlag zu
bringen: [...] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 389 Abs 1 StPO.“
Ein Geständnis konnte dem Angeklagten nicht als Milderungsgrund angerechnet werden, weil er
seine Tatbeteiligung stets – mit durchaus plausiblen Argumenten – bestritten hatte. Die Entschei-
dung der Geschworenen war nicht einstimmig. Sie beantworteten die an sie gerichtete (Haupt-)
Frage, ob der Angeklagte zu einem bestimmten Zeitpunkt und an einem bestimmten Ort den N.N.
durch einen Messerstich in die Brust vorsätzlich zu töten versucht habe, mit einem Stimmenver-
hältnis von 5:3 mit „Ja“.
Der OGH wies die auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde gemäß den §§ 285d
Abs 1 Z 2, 344 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurück. Dem Angeklagten
stehe zwar das Recht zu, Fragen der Beweiswürdigung im Geschworenenprozess an den OGH
zur materiellen Überprüfung heranzutragen, und zwar etwa in jenem – eingeschränkten –
Rahmen, in dem (schon vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 19871) von Amts wegen die außer-
ordentliche Wiederaufnahme des Strafverfahrens möglich war (§ 362 StPO). Er könne demnach
aus einer unmittelbaren Betroffenheit heraus schwerwiegende Einwände gegen die Tatsachen-
* Univ.-Prof. Dr. Thomas Mühlbacher ist Praxisprofessor am Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie
der Universität Graz und Leiter der Staatsanwaltschaft Graz. Der vorliegende Beitrag beruht auf seiner Antritts-
vorlesung an der Universität Graz vom 26. 6. 2015.
1 BGBl 1987/605.
zurück zum
Buch Austrian Law Journal, Band 2/2015"
Austrian Law Journal
Band 2/2015
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2015
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 100
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal