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ALJ 2018 Katharina Huber 104
gen, als die Überwiegensregel in die Richtlinie ausdrücklich aufgenommen wurde.106 Daraus lässt
sich gerade nicht schließen, dass die VGK-RL nicht iSd Überwiegensregel nach der VRRL auszule-
gen ist.
Für eine Heranziehung der Überwiegensregel spricht zudem die ausdrückliche Verknüpfung zwi-
schen VRRL und VGK-RL, da die VRRL die VGK-RL abgeändert hatte. Demnach werden Mitglied-
staaten verpflichtet, die Kommission über die Annahme spezifischer Vorschriften in bestimmten
Bereichen zu informieren (Art 33 VRRL). Berichtspflichten der Mitgliedstaaten gegenüber der Kom-
mission bestehen, wenn diese gem Art 8 Abs 2 VGK-RL strengere Verbraucherschutzvorschriften
trifft als in Art 5 Abs 1 -3 und Art 7 Abs 1 vorgesehen. Diese Abänderung der VGK-RL unterliegt oh-
nehin dem konkretisierten persönlichen Anwendungsbereich der VRRL, und damit der Regelung
über Dual-Use-Verträge nach der VRRL, weil diese Bestimmung aus der VRRL stammt.
Zu prüfen sind auch Argumente, die für eine inhaltliche Kohärenz dieser Richtlinien sprechen.
Beide Richtlinien sind materiell rechtliche Richtlinien. Die zwei Richtlinien knüpfen überwiegend an
unterschiedliche geschäftliche Anknüpfungsmerkmale an. So knüpft die VRRL überwiegend an be-
stimmte Vertriebsformen, aber auch Schutzvorschriften für andere als außerhalb von Geschäfts-
räumen und im Fernabsatz geschlossene Verträge, an. Diese RL regelt überwiegend spezifisch
verbraucherschützende Bestimmungen, insb Informationspflichten, aber auch allgemeine Best-
immungen.107 Die VGK-RL regelt hingegen überwiegend allgemeines Vertragsrecht, abgesehen
von wenigen Sonderregelungen für den Verbraucherkauf (bspw zwingende Bestimmungen bei
Gewährleistung). Dies belegt nicht nur die Ähnlichkeit der Bestimmungen der VGK-RL zum
CISG.108 Dem wurde bspw auch im österreichischen und deutschen Recht Rechnung getragen,
wonach die VGK-RL vorwiegend im allgemeinen Schuldrecht im ABGB und BGB umgesetzt wurde.
Der Grund für die Beschränkung auf den Verbraucherbereich dieser RL wird vor allem in der
beschränkten Kompetenz der EU gesehen.109
Die Bestimmungen der VRRL reflektieren überwiegend den Gedanken der Informationsverantwor-
tung. Das vom acquis communitaire verfolgte Informationenmodell versucht durch vorvertragliche
Informationspflichten dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, eine überlegte Entscheidung
zu treffen. Durch die Information soll folglich die Selbstverantwortung gestärkt werden.110 Infor-
106 Entwurf der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 22. 2. 2011; Bericht zu dem Vorschlag
für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Rechte der Verbraucher, Ausschuss für Bin-
nenmarkt und Verbraucherschutz vom 22. 2. 2011, A7-0038/2011, 40, Änderungsantrag 59: Art 2 Nr 1 des Richt-
linienvorschlages: Verbraucher „jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken
handelt, die im Wesentlichen außerhalb der gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit
liegen“. In weiteren Verhandlungen entschied sich das EP für die Streichung von „im Wesentlichen“. Es sollte aber
im ErwGr das „überwiegend“ anstelle von „nebensächlich“ iSv Gruber/Bay Wa eingefügt werden (Ratsdokument
11218/11 vom 8. 6. 2011, 5; zu Gruber/Bay Wa Ratsdokument 10481/11 vom 20. 5. 2011, 3). Siehe dazu GA Pedro
Cruz Villalón C-110/14, Horațiu Ovidiu Costea/SC Volksbank România SA Rz 42.
107 Vgl Grundmann, Die EU-Verbraucherrechte-Richtlinie, Optimierung, Alternative oder Sackgasse?, JZ 2013, 53 (56 f).
108 Magnus, Der Stand der internationalen Überlegungen: Die Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie und das UN-Kaufrecht,
in Grundmann/Medicus/Rolland (Hrsg), Europäisches Kaufgewährleistungsrecht, Reform und Internationalisierung
des deutschen Schuldrechts (2011) 79 ff; Grundmann, Verbraucherrecht, Unternehmensrecht, Privatrecht – warum
sind sich UN Kaufrecht und EU-Kaufrechts-Richtlinie so ähnlich?, AcP 2002, 40 ff; Riesenhuber, EU-Vertragsrecht2 § 5
Rz 25.
109 Riesenhuber, EU-Vertragsrecht2 § 5 Rz 25; Unterstützungskompetenz: Art 169 Abs 2 lit b AUEV; Kompetenz zur
Verwirklichung des Binnenmarktes: Art 114 Abs 1, 3 iVm Art 169 Abs 2 lit a AEUV; zur begrenzten Gesetzge-
bungskompetenz auf EU Ebene ua Grigoleit, AcP 2010) 363 ff.
110 Riesenhuber, EU-Vertragsrecht2 § 5 Rz 29 ff; Grundlegend zum Informationenmodell: Grundmann, Privatautono-
mie im Binnenmarkt – Informationsregeln als Instrument, JZ 2000, 1333; Grundmann/Kerber/Weatherhill (Hrsg),
Party Autonomy and the Role of Information in Internal Market (2001); kritisch Kroll-Ludwigs, Die Zukunft des
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Buch Austrian Law Journal, Band 2/2018"
Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal