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ALJ 2018 Dual-Use-Verträge 111
Die terminologischen Verbindungen zwischen dem KSchG und dem UGB sind unbestreitbar.143
Dennoch sind die unterschiedlichen Wertungen des UGB und KSchG zu berücksichtigen.144 Das
UGB knüpft an den Unternehmerbegriff an, im KSchG wird auf das Verhältnis zwischen Unter-
nehmer und Verbraucher abgestellt. Das KSchG enthält zwingende Normen zum Schutz des Ver-
brauchers und geht von einer typisierten Ungleichgewichtslage aus.145 Der Zweck des § 1 KSchG
liegt im Ausgleich wirtschaftlicher Ungleichheit. Das KSchG verfolgt den Ausgleich wirtschaftlicher
Ungleichheit und damit eine andere Zwecksetzung als § 344 UGB.146
Gegen die Heranziehung des § 344 UGB im Anwendungsbereich des KSchG spricht147, dass das
Rechtsgeschäft nach hA nach der einschlägigen Verkehrsanschauung dem Partner als Privatge-
schäft erkennbar zu sein habe.148 Die Vermutung des § 344 UGB könne nur durch objektive Krite-
rien widerlegt werden. Es kommt dabei nicht auf die Absicht des konkret Vertragsschließenden
an. Das Vorliegen eines Verbrauchergeschäftes (im Verbraucherschutzrecht) beurteilt sich aber
nach objektiven Kriterien:149 Es wird dabei nach hA nicht auf die objektive Erkennbarkeit,150 son-
dern auf die Absicht des konkret Vertragsabschließenden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses
abgestellt. Andernfalls würde kein Verbrauchergeschäft vorliegen, wenn das Geschäft zu privaten
Zwecken abgeschlossen wurde, aber für den Vertragspartner nicht objektiv erkennbar war. Der
Verbraucherschutz sollte in diesem Fall höher wiegen als der Verkehrsschutz, nämlich der Schutz
des Verkehrs in Bezug darauf, ob der Vertragspartner ein Verbraucher ist. Zu beachten ist näm-
lich der zwingende Charakter des Verbraucherrechts.151 Andernfalls könnten die Parteien de
facto über den zwingenden Verbraucherschutz disponieren.152 Dem stehen nicht Ansprüche des
„getäuschten“ Vertragspartners gegen einen allfälligen „Scheinunternehmer“ entgegen, wie die
Irrtumsanfechtung, die Berufung auf den Rechtsmissbrauch oder uU Schadenersatzansprüche.153
Aus den genannten Ausführungen ergibt sich, dass gute Argumente dafür sprechen die Zweifels-
regel des § 344 UGB nicht analog auf den Anwendungsbereich des KSchG und daher auf Dual-
Use-Fälle anzuwenden. Unabhängig davon, ob § 344 UGB im Anwendungsbereich des KSchG
143 In § 1 Abs 1 Z 1 KSchG wird auf denjenigen abgestellt, für den das Geschäft zum Betrieb seines Unternehmens
gehört und in § 1 Abs 1 Z 2 KSchG auf denjenigen, auf den das nicht zutrifft. In § 343 UGB wird ein unterneh-
mensbezogenes Geschäft so definiert wie in § 1 Abs 1 Z 1 UGB.
144 Vgl Kerschner in Jabornegg/Artmann2, § 344 UGB Rz 11.
145 Vgl Böhler, ÖJZ 2015, 972 f.
146 Vgl zum deutschen Recht Purnhagen, Die Zurechnung von Unternehmer- und Verbraucherhandeln in den §§ 13
und 14 BGB im Spiegel der Rechtsprechung – Eckpfeiler eines Konzepts?, VuR 2015, 3 (6).
147 So auch P. Bydlinski, RdW 2017, 15.
148 Kramer/Rauter in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 §§ 343, 344 (Stand 1. 9. 2016, rdb.at) Rz 22; zum HGB etwa Holz-
hammer, Allgemeines Handelsrecht und Wertpapierrecht I8 (1998), 163; Griehsler, Form und Zuordnung gesell-
schaftsrechtlicher Vertretungshandlungen im Handelsrecht, GesRZ 1973, 36; OGH 3. 3. 1965, 7 Ob 32/65; 12. 4.
1984, 8 Ob 522/83; 27. 1. 1994, 2 Ob 503/94; OLG Wien 17 R 212/86 REDOK 9774; aA Kerschner in Jabornegg/
Artmann2, § 344 UGB Rz 6.
149 Unter Einbeziehung des Scheinunternehmers Böhler, ÖJZ 2015, 969 f und Herresthal, Scheinunternehmer und
Scheinverbraucher im BGB, JZ 2006, 695 (697 f); dazu allgemein statt vieler Zehentmayer, JBl 2016, 616; P. Bydlinski,
RdW 2017, 15.
150 Vgl Mayrhofer/Nemeth in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1 KSchG Rz 80; Krejci in Rummel3 § 1 KSchG Rz 27;
Apathy in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar Va4 § 1 KSchG Rz 12; aA LG Hamburg 16. 12. 2008, 309,
96/08, BeckRS 2009, 10950.
151 Vgl Micklitz/Purnhagen in Münch Komm BGB I7 § 13 BGB Rz 44.
152 Lorenz in Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg (Hrsg), MünchKomm BGB IV7 (2016) § 474 BGB Rz 24; Müller, Die Umge-
hung des Rechts des Verbrauchsgüterkaufs im Gebrauchtwagenhandel, NJW 2003, 1975 (1979); Pfeiffer in Dau-
ner-Lieb/Langen (Hrsg), BGB Nomos Kommentar II3 (2016), Kauf-RL Art 1 Rz 20; Pfeiffer in Soergel (Hrsg), BGB13
(2000) § 13 Rz 27; Herresthal, JZ 2006, 697.
153 Dazu Böhler, ÖJZ 2015, 965 ff.
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Austrian Law Journal
Band 2/2018
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2018
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 94
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal