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ALJ 2021 Kepplinger 160
ZPO zu betrachten sein.55 Das überwiegende Schrifttum lehnt die These wegen einer zu
starken Annäherung an das Irrtumsrecht des BGB ab. Offen sind die Probleme, ob
Redintegration 1) bei unentgeltlichen Geschäften bzw 2) nach Maßgabe der von
entwickelten Lehre zuzulassen ist.56
Gerade die letztgenannte Meinung zeigt, dass sich bei der weiteren Untersuchung
methodische Vorfragen stellen: Angesprochen ist nicht nur der bekannte Diskurs über den
Stellenwert der von 57 entwickelten Lehre vom ,58 die
Rechtsnormen als Ergebnis einer Kräftewirkung begreift.59 Auf einer tieferen Ebene wirft
Ansicht das Problem auf, ob Auslegungsfragen eher nach Maßgabe des
zu beantworten sind, oder ob Rechtsnormen am Fluss der
Zeit teilnehmen, und man daher stärker auf einen objektiv-normativen Gesetzessinn
abzustellen hat.60 Sie ist jedenfalls im erstgenannten Sinn zu beantworten, weil
sich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Willens- und Vertrauensschutz seit der III.
Teilnovelle gleich stellt.61 Fraglich ist daher, mit welcher Absicht die dritte
Anfechtungsalternative von § 871 Abs 1 ABGB positiviert wurde; und insb, ob der
Gesetzgeber auch eine Redintegrationsmöglichkeit eröffnen wollte. Um sie beantworten zu
können, muss man sich zunächst Klarheit über die Ausgestaltung des Irrtumsrechts vor der
III. TN verschaffen.
III. Untersuchung der Dogmengeschichte und historische Interpretation
A. Das Irrtumsrecht der Urfassung des ABGB 1811
62 rühmt die Irrtumslehre des ABGB 181163
r Versuche: Sowohl der
als auch der (178764) sind noch von der Irrtumslehre des
55 Ausführlich zur Frage, wann eine Rechtsprechung iS dieser Bestimmung (un-)einheitlich ist: in Fasching/Konecny, ZPO
IV/1³ (2019) § 502 Rz 39 ff.
56 Beide Rechtsfragen sind mE in Anbetracht des dargestellten Meinungsstands in Judikatur und Lehre erheblich iS von
§ 502 Abs 1 ZPO.
57 Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht (1950); Zusammenspiel der Kräfte im Aufbau des
Schuldrechts, AcP 163 (1964) 346 ff.
58 Sie wird im Bereich des Irrtumsrechts von (Die Beachtlichkeit des Irrtums als Interessenabwägung § 871 ABGB,
ÖJZ 2000, 447 [passim]) überstrapaziert. Der Autor erachtet die drei Alternativen von § 871 Abs 1 ABGB nicht als
, ÖJZ 2000, 447). Das so entwickelte Modell wird von den führenden Stimmen der
Rechtsgeschäftslehre soweit ersichtlich geschlossen abgelehnt (s zB in Rummel/Lukas, ABGB4 § 871 Rz
, ÖJZ 2000, 447 ist mE wegen fehlender
59 Anschaulich dazu , Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff² (Nachdruck 2011) 529-543; äußerst krit
, Zum Versagen des beweglichen Systems in Theorie und Praxis, in FS Kerschner (2013) 73-104.
60 Eingehend zu dieser Frage , Methodenlehre der Rechtswissenschaft6 (1991) 316 ff; s auch , Methodenlehre
453 ff.
61 , Rechtstheorie11 (2020) 479
ff (§ 22 G. III.) und bei in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ (2014) §§ 6,7 ABGB Rz 100.
62 Das Naturrecht und das ABGB, in FS zur Jahrhundertfeier des ABGB I (1911) 173 (196).
63 JGS 1811/946.
64 Zur Entstehung beider Entwürfe s nur , Privatrechtsgeschichte der Neuzeit² (1967) 335 ff; ,
Privatrechtskodifikation und Staatsbildung in Österreich (1976) 25 ff.
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Austrian Law Journal
Band 2/2021
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 2/2021
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Ort
- Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 48
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal