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ISSN: 2409-6911
(CC-BY) 3.0 license
DOI:10.25364/01.4:2017.3.1
www.austrian-law-journal.at
Fundstelle: Koziol, Das bewegliche System, ALJ 3/2017, 160–182 (http://alj.uni-graz.at/index.php/alj/
article/view/111).
Das bewegliche System
Die goldene Mitte für Gesetzgebung und Dogmatik
Helmut Koziol,* Wien/Graz
Kurztext: Das Privatrecht ist eine sehr komplexe Materie und die zu berücksichtigenden Lebens-
sachverhalte vielfältig. Der Gesetzgeber hat daher eine überaus schwierige Aufgabe zu meistern
und er wird stets vor die Frage gestellt, wie die Regelungen am besten zu formulieren sind. Die
europäischen Gesetzgeber wenden bisher regelmäßig zwei unterschiedliche Methoden an: Die
Normen sind entweder detailliert und starr oder allgemein und somit ausfüllungsbedürftig. Beide
Wege weisen schwerwiegende Unzulänglichkeiten auf, sodass nach einer besseren Lösung Aus-
schau zu halten ist.
Schlagworte: Alles-oder-Nichts-Regeln; bewegliches System; gelenktes Ermessen; komparative
Sätze; Rechtssicherheit.
I. Die gegenwärtige Situation
Das Privatrecht ist eine höchst vielschichtige Materie und die zu bedenkenden Lebenssachverhalte
bieten einen nahezu unerschöpflichen Variantenreichtum. Der Gesetzgeber hat daher bei der
Regelung dieses Bereichs eine überaus schwierige Aufgabe zu bewältigen und wird stets vor die
Frage gestellt, welche Regelungsmethode jeweils am besten geeignet ist. Die europäischen Gesetz-
geber lassen bisher regelmäßig zwei unterschiedliche Grundtendenzen erkennen: Sie ziehen ent-
weder detaillierte und starre oder allgemeine und somit ausfüllungsbedürftige Normen vor.1
Allerdings hängt die Wahl der Methode auch von dem zu regelnden Teilgebiet ab; es finden sich
daher in so gut wie jeder Privatrechtsordnung auch sehr strikte, aber ebenso höchst unbestimmte
Regeln.
Die schadenersatzrechtlichen Grundnormen bieten sehr deutliche Beispiele für die unter-
schiedlichen Wege. Das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) neigt eindeutig der erstgenann-
ten Methode starrer, detaillierter Regelungen zu:2
* DDr. h.c. Helmut Koziol ist Universitätsprofessor im Ruhestand, Vizedirektor des European Centre of Tort and
Insurance Law (ECTIL) in Wien und Honorarprofessor an der Universität Graz.
Erweiterte Fassung des an der Karls-Universität in Prag am 25. 5. 2017 gehaltenen Vortrags. Die Vortragsform
wurde – ergänzt um die notwendigsten Nachweise – beibehalten. Eine tschechische Fassung dieses Beitrags
(übersetzt von Prof. Luboš Tichý) wird in der Zeitschrift „Právník“ erscheinen.
1 Zum Folgenden siehe Koziol, Begrenzte Gestaltungskraft von Kodifikationen? in FS 200 Jahre ABGB I (2011) 469.
2 Das hebt auch Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz2 (1983) 78, hervor, der andererseits
auch auf die Ausnahmen – wie etwa die Regelung des Mitverschuldens in § 254 BGB – hinweist.
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Austrian Law Journal
Band 3/2017
- Titel
- Austrian Law Journal
- Band
- 3/2017
- Autor
- Karl-Franzens-Universität Graz
- Herausgeber
- Brigitta Lurger
- Elisabeth Staudegger
- Stefan Storr
- Ort
- Graz
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- Abmessungen
- 19.1 x 27.5 cm
- Seiten
- 66
- Schlagwörter
- Recht, Gesetz, Rechtswissenschaft, Jurisprudenz
- Kategorien
- Zeitschriften Austrian Law Journal