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schwach und voll Schonung. Der gab Karl noch rasch und ganz rücksichtslos mit dem Knie einen vollen Stoß in den Bauch, fing dann aber, beide Hände am Kinn, so laut zu heulen an, daß von dem benachbarten Balkon ein Mann unter wildem Händeklatschen »Ruhe!« befahl. Karl lag noch ein wenig still, um den Schmerz, den ihm der Stoß Robinsons verursacht hatte, zu verwinden. Er wandte nur das Gesicht zum Vorhang hin, der ruhig und schwer vor dem offenbar dunklen Zimmer hing. Es schien ja niemand mehr im Zimmer zu sein, vielleicht war Delamarche mit Brunelda ausgegangen, und Karl hatte schon völlige Freiheit. Robinson, der sich wirklich wie ein Wächterhund benahm, war ja endgültig abgeschüttelt. Da ertönten aus der Ferne von der Gasse her stoßweise Trommeln und Trompeten. Einzelne Rufe vieler Leute sammelten sich bald zu einem allgemeinen Schreien. Karl drehte den Kopf und sah, wie sich alle Balkone von neuem belebten. Langsam erhob er sich, er konnte sich nicht ganz aufrichten und mußte sich schwer gegen das Geländer drücken. Unten auf dem Trottoir marschierten junge Burschen mit großen Schritten, ausgestreckten Armen, die Mützen in der erhobenen Hand, die Gesichter zurückgewandt. Die Fahrbahn blieb noch frei. Einzelne schwenkten auf hohen Stangen Lampions, die von einem gelblichen Rauch umhüllt waren. Gerade traten die Trommler und Trompeter in breiten Reihen ans Licht, und Karl staunte über ihre Menge, da hörte er hinter sich Stimmen, drehte sich um und sah den Delamarche den schweren Vorhang heben und dann aus dem Zimmerdunkel Brunelda treten, im roten Kleid, mit einem Spitzenüberwurf um die Schultern, einem dunklen Häubchen über dem wahrscheinlich unfrisierten und bloß aufgehäuften Haar, dessen Enden lose hie und da hervorsahen. In der Hand hielt sie einen kleinen ausgespannten Fächer, bewegte ihn aber nicht, sondern drückte ihn eng an sich. Karl schob sich dem Geländer entlang zur Seite, um den beiden Platz zu machen. Gewiß würde ihn niemand zum Hierbleiben zwingen, und wenn es auch Delamarche versuchen wollte, Brunelda würde ihn auf seine Bitte sofort entlassen. Sie konnte ihn ja gar nicht leiden, seine Augen erschreckten sie. Aber als er einen Schritt zur Tür hin machte, hatte sie es doch bemerkt und sagte: »Wohin denn, Kleiner?« Karl stockte vor den strengen Blicken Delamarches, und Brunelda zog ihn zu sich. »Willst du dir denn nicht den Aufzug unten ansehen?« sagte sie und schob ihn vor sich an das Geländer. »Weißt du, worum es sich handelt?« hörte Karl sie hinter sich sagen und machte ohne Erfolg eine unwillkürliche Bewegung, um sich ihrem Druck zu entziehen. Traurig sah er auf die Gasse hinunter, als sei dort der Grund seiner Traurigkeit. Delamarche stand zuerst mit gekreuzten Armen hinter Brunelda, dann lief 164
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Amerika
Titel
Amerika
Autor
Franz Kafka
Datum
1927
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
212
Schlagwörter
Der Verschollene, Literatur, Schriftsteller, Erzählung
Kategorien
Weiteres Belletristik

Inhaltsverzeichnis

  1. Der Heizer 3
  2. Der Onkel 26
  3. Ein Landhaus bei New York 38
  4. Weg nach Ramses 67
  5. Hotel Occidental 89
  6. Der Fall Robinson 105
  7. Ein Asyl 137
  8. Das Naturtheater von Oklahoma 182
  9. Fragmente 199
    1. I. 199
    2. II. Ausreise Bruneldas 208
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