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geradeaus … ohne zu wissen wohin … Was ihm in den Weg tritt, Mensch
oder Tier, das stößt er nieder mit seinem Kris, und der Blutrausch macht ihn
nur noch hitziger … Schaum tritt dem Laufenden vor die Lippen, er heult wie
ein Rasender … aber er rennt, rennt, rennt, sieht nicht mehr nach rechts, steht
nicht nach links, rennt nur mit seinem gellen Schrei, seinem blutigen Kris in
dieses entsetzliche Geradeaus … Die Leute in den Dörfern wissen, daß keine
Macht einen Amokläufer aufhalten kann … so brüllen sie warnend voraus,
wenn er kommt: »Amok! Amok!«, und alles flüchtet … er aber rennt, ohne zu
hören, rennt, ohne zu sehen, stößt nieder, was ihm begegnet … bis man ihn
totschießt wie einen tollen Hund oder er selbst schäumend
zusammenbricht …
Einmal habe ich das gesehen, vom Fenster meines Bungalow aus … es war
grauenhaft … aber nur dadurch, daß ichs gesehen habe, begreife ich mich
selbst in jenen Tagen … denn so, genau so, mit diesem furchtbaren Blick
geradeaus, ohne nach rechts oder links zu sehen, mit dieser Besessenheit
stürmte ich los … dieser Frau nach … Ich weiß nicht mehr, wie ich alles tat,
in so rasendem Lauf, in so unsinniger Geschwindigkeit flog es vorbei … Zehn
Minuten, nein, fünf, nein zwei … nachdem ich alles von dieser Frau wußte,
ihren Namen, ihr Haus, ihr Schicksal, jagte ich schon auf einem rasch
geborgten Rad in mein Haus zurĂĽck, warf einen Anzug in den Koffer, steckte
Geld zu mir und fuhr zur Station der Eisenbahn mit einem Wagen … fuhr,
ohne mich abzumelden beim Distriktsbeamten … ohne einen Vertreter zu
ernennen, ließ das Haus offen stehen und liegen wie es war … Um mich
standen Diener, die Weiber staunten und fragten, ich antwortete nicht, wandte
mich nicht um … fuhr zur Eisenbahn und mit dem nächsten Zug hinab in die
Stadt … Eine Stunde im ganzen, nachdem diese Frau in mein Zimmer
getreten, hatte ich meine Existenz hinter mich geworfen und rannte Amok ins
Leere hinein …
Geradeaus rannte ich, mit dem Kopf gegen die Wand … um sechs Uhr
abends war ich angekommen … um sechs Uhr zehn war ich in ihrem Haus
und ließ mich melden … Es war … Sie werden es verstehen … das
Sinnloseste, das Stupideste, was ich tun konnte … aber der Amokläufer rennt
ja mit leeren Augen, er sieht nicht, wohin er rennt … Nach einigen Minuten
kam der Diener zurück … höflich und kühl … die gnädige Frau sei nicht
wohl und könne nicht empfangen …
Ich taumelte die Türe hinaus … Eine Stunde schlich ich noch um das Haus
herum, besessen von der wahnwitzigen Hoffnung, sie wĂĽrde vielleicht nach
mir suchen … dann nahm ich mir erst ein Zimmer im Strandhotel und zwei
Flaschen Whisky auf das Zimmer … die und eine doppelte Dosis Veronal
halfen mir … ich schlief endlich ein … und dieser dumpfe, schlammige
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Buch Amok - Novellen einer Leidenschaft"
Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik