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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Page - 27 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft

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geradeaus … ohne zu wissen wohin … Was ihm in den Weg tritt, Mensch oder Tier, das stößt er nieder mit seinem Kris, und der Blutrausch macht ihn nur noch hitziger … Schaum tritt dem Laufenden vor die Lippen, er heult wie ein Rasender … aber er rennt, rennt, rennt, sieht nicht mehr nach rechts, steht nicht nach links, rennt nur mit seinem gellen Schrei, seinem blutigen Kris in dieses entsetzliche Geradeaus … Die Leute in den Dörfern wissen, daß keine Macht einen Amokläufer aufhalten kann … so brüllen sie warnend voraus, wenn er kommt: »Amok! Amok!«, und alles flüchtet … er aber rennt, ohne zu hören, rennt, ohne zu sehen, stößt nieder, was ihm begegnet … bis man ihn totschießt wie einen tollen Hund oder er selbst schäumend zusammenbricht … Einmal habe ich das gesehen, vom Fenster meines Bungalow aus … es war grauenhaft … aber nur dadurch, daß ichs gesehen habe, begreife ich mich selbst in jenen Tagen … denn so, genau so, mit diesem furchtbaren Blick geradeaus, ohne nach rechts oder links zu sehen, mit dieser Besessenheit stürmte ich los … dieser Frau nach … Ich weiß nicht mehr, wie ich alles tat, in so rasendem Lauf, in so unsinniger Geschwindigkeit flog es vorbei … Zehn Minuten, nein, fünf, nein zwei … nachdem ich alles von dieser Frau wußte, ihren Namen, ihr Haus, ihr Schicksal, jagte ich schon auf einem rasch geborgten Rad in mein Haus zurück, warf einen Anzug in den Koffer, steckte Geld zu mir und fuhr zur Station der Eisenbahn mit einem Wagen … fuhr, ohne mich abzumelden beim Distriktsbeamten … ohne einen Vertreter zu ernennen, ließ das Haus offen stehen und liegen wie es war … Um mich standen Diener, die Weiber staunten und fragten, ich antwortete nicht, wandte mich nicht um … fuhr zur Eisenbahn und mit dem nächsten Zug hinab in die Stadt … Eine Stunde im ganzen, nachdem diese Frau in mein Zimmer getreten, hatte ich meine Existenz hinter mich geworfen und rannte Amok ins Leere hinein … Geradeaus rannte ich, mit dem Kopf gegen die Wand … um sechs Uhr abends war ich angekommen … um sechs Uhr zehn war ich in ihrem Haus und ließ mich melden … Es war … Sie werden es verstehen … das Sinnloseste, das Stupideste, was ich tun konnte … aber der Amokläufer rennt ja mit leeren Augen, er sieht nicht, wohin er rennt … Nach einigen Minuten kam der Diener zurück … höflich und kühl … die gnädige Frau sei nicht wohl und könne nicht empfangen … Ich taumelte die Türe hinaus … Eine Stunde schlich ich noch um das Haus herum, besessen von der wahnwitzigen Hoffnung, sie würde vielleicht nach mir suchen … dann nahm ich mir erst ein Zimmer im Strandhotel und zwei Flaschen Whisky auf das Zimmer … die und eine doppelte Dosis Veronal halfen mir … ich schlief endlich ein … und dieser dumpfe, schlammige 27
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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