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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Seite - 32 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft

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Stupide meiner Tat nicht verstehen … ich muß Ihnen erst den ganzen Raum schildern … Es war der große Saal des Regierungsgebäudes, ganz von Lichtern erhellt und fast leer, der ungeheure Saal … die Paare waren zum Tanz gegangen, die Herren zum Spiel … nur an den Ecken plauderten einige Gruppen … der Saal war also leer, jede Bewegung auffällig und im grellen Licht sichtbar … und diesen großen weiten Saal schritt sie langsam und leicht mit ihren hohen Schultern durch, ab und zu einen Gruß mit ihrer unbeschreiblichen Haltung erwidernd … mit dieser herrlichen erfrorenen hoheitlichen Ruhe, die mich an ihr so entzückte … Ich … ich war zurückgeblieben, ich sagte es Ihnen ja, ich war gleichsam gelähmt, bevor ich es begriff, daß sie fortging … und da, als ich es begriff, war sie schon am andern Ende des Saales knapp vor der Türe … Da … oh, ich schäme mich jetzt noch, es zu denken … da packte es mich plötzlich an und ich lief, hören Sie: ich lief … ich ging nicht, ich lief mit polternden Schuhen, die laut widerhallten, quer durch den Saal ihr nach … Ich hörte meine Schritte, ich sah alle Blicke erstaunt auf mich gerichtet … ich hätte vergehen können vor Scham … noch während ich lief, war mir schon der Wahnsinn bewußt … aber ich konnte … ich konnte nicht mehr zurück … Bei der Tür holte ich sie ein … Sie wandte sich um … ihre Augen stießen wie ein grauer Stahl in mich hinein, ihre Nasenflügel zitterten vor Zorn … ich wollte eben zu stammeln anfangen … da … da … lachte sie plötzlich hellauf … ein helles, unbesorgtes, herzliches Lachen, und sagte laut … so laut, daß es alle hören konnten … »Ach, Doktor, jetzt fällt Ihnen erst das Rezept für meinen Buben ein … ja, die Herren der Wissenschaft … « Ein paar, die in der Nähe standen, lachten gutmütig mit … ich begriff, ich taumelte unter der Meisterschaft, mit der sie die Situation gerettet hatte … griff in die Brieftasche und riß ein leeres Blatt vom Block, das sie lässig nahm, ehe sie … noch einmal mit einem kalten, dankenden Lächeln … ging … Mir war leicht in der ersten Sekunde … ich sah, daß mein Irrsinn durch ihre Meisterschaft gutgemacht, die Situation gewonnen … aber ich wußte auch sofort, daß alles für mich verloren sei, daß diese Frau mich um meiner hitzigen Narrheit haßte … haßte mehr als den Tod … daß ich nun hundertmal und hundertmal vor ihre Tür kommen könnte und sie mich wegweisen würde wie einen Hund. Ich taumelte durch den Saal … ich merkte, daß die Leute auf mich blickten … ich muß irgendwie sonderbar ausgesehen haben … Ich ging zum Büfett, trank zwei, drei, vier Gläser Kognak hintereinander … das rettete mich vor dem Umsinken … meine Nerven konnten schon nicht mehr, sie waren wie durchgerissen … Dann schlich ich bei einer Nebentür hinaus, heimlich wie ein Verbrecher … Um kein Fürstentum der Welt hätte ich jenen Saal nochmals durchschreiten können, wo ihr Lachen noch gell an allen Wänden klebte … ich ging … genau weiß ichs nicht mehr zu sagen, wohin 32
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Titel
Amok
Untertitel
Novellen einer Leidenschaft
Autor
Stefan Zweig
Datum
1922
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
21.0 x 29.7 cm
Seiten
158
Kategorien
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