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Stupide meiner Tat nicht verstehen … ich muß Ihnen erst den ganzen Raum
schildern … Es war der große Saal des Regierungsgebäudes, ganz von
Lichtern erhellt und fast leer, der ungeheure Saal … die Paare waren zum
Tanz gegangen, die Herren zum Spiel … nur an den Ecken plauderten einige
Gruppen … der Saal war also leer, jede Bewegung auffällig und im grellen
Licht sichtbar … und diesen großen weiten Saal schritt sie langsam und leicht
mit ihren hohen Schultern durch, ab und zu einen Gruß mit ihrer
unbeschreiblichen Haltung erwidernd … mit dieser herrlichen erfrorenen
hoheitlichen Ruhe, die mich an ihr so entzückte … Ich … ich war
zurückgeblieben, ich sagte es Ihnen ja, ich war gleichsam gelähmt, bevor ich
es begriff, daß sie fortging … und da, als ich es begriff, war sie schon am
andern Ende des Saales knapp vor der Türe … Da … oh, ich schäme mich
jetzt noch, es zu denken … da packte es mich plötzlich an und ich lief, hören
Sie: ich lief … ich ging nicht, ich lief mit polternden Schuhen, die laut
widerhallten, quer durch den Saal ihr nach … Ich hörte meine Schritte, ich
sah alle Blicke erstaunt auf mich gerichtet … ich hätte vergehen können vor
Scham … noch während ich lief, war mir schon der Wahnsinn bewußt … aber
ich konnte … ich konnte nicht mehr zurück … Bei der Tür holte ich sie ein …
Sie wandte sich um … ihre Augen stießen wie ein grauer Stahl in mich
hinein, ihre Nasenflügel zitterten vor Zorn … ich wollte eben zu stammeln
anfangen … da … da … lachte sie plötzlich hellauf … ein helles,
unbesorgtes, herzliches Lachen, und sagte laut … so laut, daß es alle hören
konnten … »Ach, Doktor, jetzt fällt Ihnen erst das Rezept für meinen Buben
ein … ja, die Herren der Wissenschaft … « Ein paar, die in der Nähe standen,
lachten gutmütig mit … ich begriff, ich taumelte unter der Meisterschaft, mit
der sie die Situation gerettet hatte … griff in die Brieftasche und riß ein leeres
Blatt vom Block, das sie lässig nahm, ehe sie … noch einmal mit einem
kalten, dankenden Lächeln … ging … Mir war leicht in der ersten
Sekunde … ich sah, daß mein Irrsinn durch ihre Meisterschaft gutgemacht,
die Situation gewonnen … aber ich wußte auch sofort, daß alles für mich
verloren sei, daß diese Frau mich um meiner hitzigen Narrheit haßte … haßte
mehr als den Tod … daß ich nun hundertmal und hundertmal vor ihre Tür
kommen könnte und sie mich wegweisen würde wie einen Hund.
Ich taumelte durch den Saal … ich merkte, daß die Leute auf mich
blickten … ich muß irgendwie sonderbar ausgesehen haben … Ich ging zum
Büfett, trank zwei, drei, vier Gläser Kognak hintereinander … das rettete
mich vor dem Umsinken … meine Nerven konnten schon nicht mehr, sie
waren wie durchgerissen … Dann schlich ich bei einer Nebentür hinaus,
heimlich wie ein Verbrecher … Um kein Fürstentum der Welt hätte ich jenen
Saal nochmals durchschreiten können, wo ihr Lachen noch gell an allen
Wänden klebte … ich ging … genau weiß ichs nicht mehr zu sagen, wohin
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Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Title
- Amok
- Subtitle
- Novellen einer Leidenschaft
- Author
- Stefan Zweig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 158
- Categories
- Weiteres Belletristik