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Mit einem Ruck war ich bei der TĂĽr. Ein junger, ganz junger blonder
Offizier stand dort, sehr linkisch, sehr schmal, sehr blaĂź. Wie ein Kind sah er
aus, so … so rührend jung … und unsäglich erschütterte michs gleich, wie er
sich mühte, Mann zu sein, Haltung zu zeigen … seine Erregung zu
verbergen … Ich sah sofort, daß seine Hände zitterten, als er zur Mütze
fuhr … Am liebsten hätte ich ihn umarmt … weil er ganz so war, wie ich mirs
wünschte, daß der Mann sein sollte, der diese Frau besessen … kein
Verführer, kein Hochmütiger … nein, ein halbes Kind, ein reines, zärtliches
Wesen, dem sie sich geschenkt.
Ganz befangen stand der junge Mensch vor mir. Mein gieriger Blick, mein
leidenschaftlicher Aufsprung machten ihn noch mehr verwirrt. Das kleine
Schnurrbärtchen über der Lippe zuckte verräterisch … dieser junge Offizier,
dies Kind muĂźte sich bezwingen, um nicht herauszuschluchzen.
»Verzeihen Sie,« sagte er dann endlich, »ich hätte gerne Frau … gerne
noch … gesehen.«
UnbewuĂźt, ganz ohne es zu wollen, legte ich ihm, dem Fremden, meinen
Arm um die Schulter, fĂĽhrte ihn, wie man einen Kranken fĂĽhrt. Er sah mich
erstaunt an mit einem unendlich warmen und dankbaren Blick … irgendein
Verstehen unserer Gemeinschaft war schon in dieser Sekunde zwischen uns
beiden … Wir gingen zu der Toten … Sie lag da, weiß, in den weißen
Linnen … ich spürte, daß meine Nähe ihn noch bedrückte … so trat ich
zurück, um ihn allein zu lassen mit ihr. Er ging langsam näher mit … mit so
zuckenden, ziehenden Schritten … an seinen Schultern sah ichs, wie es in ihm
wühlte und riß … er ging so wie … wie einer, der gegen einen ungeheuren
Sturm geht … Und plötzlich brach er vor dem Bett in die Knie … genau so,
wie ich hingebrochen war.
Ich sprang sofort vor, hob ihn empor und fĂĽhrte ihn zu einem Sessel. Er
schämte sich nicht mehr, sondern schluchzte seine Qual heraus. Ich
vermochte nichts zu sagen – nur mit der Hand strich ich ihm unbewußt über
sein blondes, kindlich weiches Haar. Er griff nach meiner Hand … ganz lind
und doch ängstlich … und mit einemmal fühlte ich seinen Blick an mir
hängen …
»Sagen Sie mir die Wahrheit, Doktor,« stammelte er, »hat sie selbst Hand
an sich gelegt?«
»Nein«, sagte ich.
»Und ist … ich meine … ist irgend … irgend jemand schuld an ihrem
Tode?«
»Nein«, sagte ich wieder, obwohl mirs aufquoll in der Kehle, ihm
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Buch Amok - Novellen einer Leidenschaft"
Amok
Novellen einer Leidenschaft
- Titel
- Amok
- Untertitel
- Novellen einer Leidenschaft
- Autor
- Stefan Zweig
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 158
- Kategorien
- Weiteres Belletristik