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Amok - Novellen einer Leidenschaft
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Page - 44 - in Amok - Novellen einer Leidenschaft

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Mit einem Ruck war ich bei der Tür. Ein junger, ganz junger blonder Offizier stand dort, sehr linkisch, sehr schmal, sehr blaß. Wie ein Kind sah er aus, so … so rührend jung … und unsäglich erschütterte michs gleich, wie er sich mühte, Mann zu sein, Haltung zu zeigen … seine Erregung zu verbergen … Ich sah sofort, daß seine Hände zitterten, als er zur Mütze fuhr … Am liebsten hätte ich ihn umarmt … weil er ganz so war, wie ich mirs wünschte, daß der Mann sein sollte, der diese Frau besessen … kein Verführer, kein Hochmütiger … nein, ein halbes Kind, ein reines, zärtliches Wesen, dem sie sich geschenkt. Ganz befangen stand der junge Mensch vor mir. Mein gieriger Blick, mein leidenschaftlicher Aufsprung machten ihn noch mehr verwirrt. Das kleine Schnurrbärtchen über der Lippe zuckte verräterisch … dieser junge Offizier, dies Kind mußte sich bezwingen, um nicht herauszuschluchzen. »Verzeihen Sie,« sagte er dann endlich, »ich hätte gerne Frau … gerne noch … gesehen.« Unbewußt, ganz ohne es zu wollen, legte ich ihm, dem Fremden, meinen Arm um die Schulter, führte ihn, wie man einen Kranken führt. Er sah mich erstaunt an mit einem unendlich warmen und dankbaren Blick … irgendein Verstehen unserer Gemeinschaft war schon in dieser Sekunde zwischen uns beiden … Wir gingen zu der Toten … Sie lag da, weiß, in den weißen Linnen … ich spürte, daß meine Nähe ihn noch bedrückte … so trat ich zurück, um ihn allein zu lassen mit ihr. Er ging langsam näher mit … mit so zuckenden, ziehenden Schritten … an seinen Schultern sah ichs, wie es in ihm wühlte und riß … er ging so wie … wie einer, der gegen einen ungeheuren Sturm geht … Und plötzlich brach er vor dem Bett in die Knie … genau so, wie ich hingebrochen war. Ich sprang sofort vor, hob ihn empor und führte ihn zu einem Sessel. Er schämte sich nicht mehr, sondern schluchzte seine Qual heraus. Ich vermochte nichts zu sagen – nur mit der Hand strich ich ihm unbewußt über sein blondes, kindlich weiches Haar. Er griff nach meiner Hand … ganz lind und doch ängstlich … und mit einemmal fühlte ich seinen Blick an mir hängen … »Sagen Sie mir die Wahrheit, Doktor,« stammelte er, »hat sie selbst Hand an sich gelegt?« »Nein«, sagte ich. »Und ist … ich meine … ist irgend … irgend jemand schuld an ihrem Tode?« »Nein«, sagte ich wieder, obwohl mirs aufquoll in der Kehle, ihm 44
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Amok Novellen einer Leidenschaft
Title
Amok
Subtitle
Novellen einer Leidenschaft
Author
Stefan Zweig
Date
1922
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
158
Categories
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