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Rassismus darstellt, ist noch lange nicht ausgemacht, dass diejenigen auch
ein gemeinsames Verständnis von Rassismus teilen.Mit der Entscheidung
für den Begriff des antimuslimischen Rassismus alleine ist also noch kei-
netheoretischeSelbstverortungvollzogen.Eineklarkonturierte»Theoriedes
antimuslimischen Rassismus« (Attia 2013b) existiert bislang nicht. Deshalb
wird indiesemundimfolgendenKapitelderrassismustheoretischeRahmen
der vorliegenden Untersuchung entwickelt. Sie dienen der Begriffsklärung
und der Erarbeitung einer konzeptionellen Grundlage, die es erlaubt, For-
men der Inferiorisierung bzw.Dämonisierung vonMuslimInnen rassismus-
theoretischzuanalysierenundzuinterpretieren.Dafürstelle ichzunächstvier
paradigmatische Positionen vor, die eine je spezifische theoretische Proble-
matik1 repräsentieren.EinersterAnsatz versteht seinenGegenstandalsVor-
urteilundkonzentriert sich entsprechend auf individuelle Einstellungsmus-
ter und deren Aggregation. Eine zweite Perspektive definiert Islamophobie
bzw. antimuslimischenRassismus alsDiskurs oder Ideologie, was die Analyse
aufdiegesellschaftlicheProduktionundReproduktionvonZuschreibungen,
Bedeutung, implizitenLogikenundunausgesprocheneRegeln vonWissens-
strukturen lenkt.Drittens existiert ein instrumentalistischesVerständnis, das
Islamophobie bzw.Rassismus als strategisch eingesetztesWerkzeug indivi-
dueller, kollektiver oder institutionellerAkteurInnenuntersucht.Eine vierte
Perspektive schließlich begreift antimuslimischenRassismus alsgesellschaft-
lichesVerhältnis,daspolitische,ökonomische,kulturelleund ideologische In-
stanzenumfasstundalsgesamtgesellschaftlichesStrukturprinzipwirkt. Ich
werdezeigen,dassdieerstendreiderhierbehandeltenAnsätze–Islamopho-
biealsVorurteil,alsDiskursbzw.IdeologieundalsInstrument–jeweilsent-
scheidendeFragensystematischausschließen.DerviertenPosition,dieanti-
muslimischenRassismusalsgesellschaftlichesVerhältnisversteht,gelingtes
hingegen,dieseFragenalsklärungsbedürftigzu formulierenundbietet eine
1 Als»Problematik«bezeichnetederfranzösischePhilosophundWissenschaftstheoretiker
GastonBachelard»die spezifischebegrifflicheStruktur, die ineiner […]Theorie zugleich
dieObjekteunddieFragen,dieandieseObjektegerichtetwerdenkönnen,ordnet«(Brüh-
mann 1980: 231; vgl. Bachelard 1974).Die in jeder analytischenPerspektive enthaltenen
ontologischen,epistemologischenundmethodologischenAnnahmenbilden,zusammen
mitdembegrifflichen Inventar,das fürdieAnalysedesGegenstandsbereitgestelltwird,
»thematrixortheanglefromwhichitwillbecomepossibleandevennecessarytoformu-
lateacertainnumberofpreciseproblems«(Maniglier2012:21).Umgekehrtbedeutetdas
auch,dass jenachProblematikbestimmteProblemenicht formuliert,bestimmteFragen
nichtgestelltwerdenkönnen.
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik