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3 AntimuslimischerRassismusalsanalytischesKonzept 77
Projektion in den Zusammenhang der kolonialen Eroberung, Okkupation
und Ausbeutung des Raums, der als Orient konstruiert wurde, und der
Unterwerfung derMenschen, die ihn bewohnen.Es geht, in SaidsWorten,
um »das Zusammentreffen von Geografie,Wissen undMacht« (Said 2003
[1978]:215).AuchwennsichdiekonkretenZuschreibungenalshistorischund
räumlichwandelbarerwiesen, lägen ihnenweithingeteilte, stabileund»fast
unbewusste« Annahmen über ›den Orient‹ zugrunde. Die von Said unter-
suchten Diskurse des 19. Jahrhunderts »hielten an der Andersartigkeit des
Orients fest, an seiner Exzentrik, seiner Rückständigkeit, seiner stummen
Gleichgültigkeit, seiner femininen Penetrierbarkeit, seiner unterwürfigen
Formbarkeit« (Said2003 [1978]: 206).
Die entscheidende Erkenntnis der hier vorgestellten Analysen ist, dass
die jeweiligenAbwertungennicht ausdenEigenschaftenoderdemHandeln
jenerverstandenwerdenkönnen,denensiezugeschriebenwerden.›DerOri-
ent‹ undmit ihm ›der Orientale‹ ist, so wie ›der Jude‹ und ›das Jüdische‹,
eineKonstruktion. IndiesemSinne richtet sichRassismusnicht gegenem-
pirisch auffindbare Personen, sondern gegen eine abstrakte Figur, die durch
rassistischePraxenerzeugtwird(vgl.zumBegriffder ›Figur‹Ege/Wietschor-
ke2014;Ege2013:26-74).PraxendergruppenbezogenenAbwertungundindi-
viduellenDiskriminierunggehenalsoanalytischgesehenPraxenderIdentifika-
tionundSignifikationvoraus. IdentifikationmeinthierdieZusammenfassung
VerschiedeneralsGleiche–das Ident-Machen–aufGrundlagevermeintlich
geteilter Eigenschaften; Signifikation, dass die so konstruierten Identitäten
als Zeichen gelesenwerden, die eine Reihe von Bedeutungen aufrufen. Sie
stelleneinenZusammenhangvonGruppenidentitätundalswesenhaftunter-
stelltenGruppeneigenschaftendurchdenvonShoomanbeschriebenenDrei-
schritt von Essentialisierung, Dichotomisierung und Hierarchisierung her
(Shooman 2014a: 63). Produziert wird darin eine abstrakte Figur: Die Figur
desoderderAnderen. In ihrverdichtensichzugeschriebeneEigenschaften,as-
soziierteThemenundaufgeladeneEmotionen.IchnennediesenProzessfort-
an,demVorschlag JuliaReuters zurÜbertragungdesBegriffs ›Othering‹ ins
Deutschefolgend,(rassistische)Veranderung (Reuter2002: 143-148).3Reuterar-
gumentiert,dassesnichtevidentist,weroderwasalsandersoderfremdgilt,
3 ReutersSchreibweiseist»VerAnderung«,dasBinnen-Asolldenoderdie›Anderen‹begriff-
lichnochstärkersichtbarmachen.Dasscheintmirjedochnichtnotwendig–alsNeologis-
musistderBegriffohnehinerklärungsbedürftig.Ichverwendedaherfortan›Veranderung‹
imhiererklärtenSinne. (ZumBegriffdesOtheringvgl.Ashcroftetal. 1998:156)
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik