Seite - 105 - in Im Namen der Emanzipation - Antimuslimischer Rassismus in Österreich
Bild der Seite - 105 -
Text der Seite - 105 -
4 GrundlageneinerhegemonietheoretischenRassismusanalyse 105
fen imantimuslimischenRassismus die Interessenslagen unterschiedlicher
Klassen in einer fragilen Allianz zusammen« (Müller-Uri 2014: 124). Untere
wieMittelklassenkönntendurchdenantimuslimischenRassismusErfahrun-
gen von erlebter oder befürchteter Prekarisierung verarbeiten; unterschied-
lichenKapitalfraktionenwiederumerlaubedieVerschränkungvonantimus-
limischemRassismusund»klassenrassistischenArgumentationsfigurenaus
demneoliberalenNützlichkeitsdiskurs[…]einerseits,zwischen›unerwünsch-
terMigration‹ undder ›erwünschten‹Anwerbung ›hochqualifizierter‹, ›inte-
grierbarer‹ Arbeitskraft aus demAusland zu unterscheiden, und gleichzei-
tig soziale Konflikte in ›Probleme‹ der ›Integrations- und Leistungsverwei-
gerung inmigrantischen Parallelgesellschaften‹ kulturalistisch zu überset-
zen« (Müller-Uri 2014: 125-126). Funktional sei der antimuslimische Rassis-
mus demnach nicht bloß für sich selbst, sondern für die Reproduktion der
mit den rassistischenVerhältnissen verschränktenKlassenverhältnisse.Dabei
greiftMüller-Uri auf eine rassismustheoretischeÜberlegungWulfD.Hunds
zurück,derRassismusals »negativeVergesellschaftung«bezeichnet (Müller-
Uri2014: 75;Hund2006).
Für Hund teilen die unterschiedlichen Rassismen der Vergangenheit
und Gegenwart eine »Funktion im Prozess klassenspezifischer Vergesell-
schaftung« (Hund 2007: 120). Er bestimmt »negative Vergesellschaftung«–
bisweilen auch »rassistische Vergesellschaftung« (Hund 2005: 167), »Verge-
sellschaftung durch Entmenschlichung« (Hund 2005: 157) oder »Inklusion
durch Exklusion« (Hund 2017: 26) genannt – als konstitutiven Bestandteil
aller Klassengesellschaften, einschließlich vorkapitalistischer und nicht-
europäischer: »Herrschaftlich organisierte Gesellschaften können nicht nur
durch Gewalt aufrechterhalten werden. Sie halten auch nicht nur durch
Kultur und Tradition zusammen. Die sozialpolitische Integration von
Klassengesellschaftenbedarf ausgegrenzter anderer« (Hund2005: 164).Ras-
sismusgelingtdieseintegrativeWirkungdurchdieHerstellung»illusorischer
Gemeinschaftlichkeit«und»amorpher Identität«:
»DieeigeneGemeinschaftlichkeit ist illusionär,weil sieaufkeine realeTei-
lungvonAnsehenundMachtabstellt,sonderndiebestehendensozialenUn-
gleichheitsrelationennichtnurunangetastet lässt, sondernauchzusätzlich
stabilisiert.DieIdentitätderAnderenbleibtnotwendigamorph,weilsieei-
neVielzahlunterschiedlichersozialerCharakterevereintundgleichmache-
rischeinebnet.« (Hund2007:120-121).
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik