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IdeologienwiederRassismusmüssendemnachnichtnuralsVorurteileoder
theoretischeDoktrinenuntersuchtwerden,sonderninihrermateriellenAus-
arbeitungundVerbreitung im»Ensembleder gemeinhin ›privat‹ genannten
Organismen«, die Gramsci zum »integralen Staat« rechnet und die »Ebene
derZivilgesellschaft«nennt (GH: 1502;Herv.B.O.).
AusdiesenBemerkungen lassensichheuristischeStrategienentwickeln,
umRassismusvomStandpunktderHegemonieauszuuntersuchen.Einehe-
gemonietheoretischeRassismusanalysemussdanach fragen,welcheEffekte
spezifischeArtikulationsweisenvonrassistischerVeranderung fürdieRegu-
lierung der Konsensmomente in einem gegebenenMachtverhältnis haben.
DieeingangsunterschiedenendreiDimensionenvonHegemonie–Universa-
lisierung,materielleZugeständnisseundInstitutionalisierung–könnenhier
alsanalytischeRichtliniedienen:WelcheRollespieltrassistischeVeranderung
fürdiediskursiveVerallgemeinerungpartikularer Interessen?Wievermittelt
Rassismus als gesellschaftlichesVerhältnis die Einbindung vonSubalternen
durchmaterielleKompromisse?Welche institutionellenArrangementsstabi-
lisierendiediskursiv-materiellenHegemonieverhältnisse, indemsierassisti-
schenEin-undAusschlussundnegativeVergesellschaftungaufDauerstellen?
GramscisHegemonietheorie stellt eineReihe analytischerKonzepte zur
Verfügung, die in diesem Sinne für die Rassismusanalyse in Anschlag ge-
brachtwerden können. Eines davon ist der »senso commune« oderAlltags-
verstand (vgl. Crehan 2013; Liguori 2015; Sutter 2016). Gramsci führt diesen
Begriff in denGefängnisheften ein, umbesser zu verstehen,wie Subalter-
nität von den einzelnen Subjekten gelebt wird: Wie vermitteln sich politi-
scheundkulturelleFührungsverhältnisse jenen,diegeführtwerden?Erwen-
det sich scharf gegenDarstellungengeführterMenschenalsmanipulierbare
Masse. Sein Ausgangspunkt ist, dass »alleMenschen Philosophen sind, sei
es auch auf ihreWeise, unbewusst,weil schon in der geringstenÄußerung
einerwie immergeartetenTätigkeit,der ›Sprache‹,einebestimmteWeltauf-
fassung enthalten ist« (GH: 1375). IndenalltäglichenHandlungenund indi-
viduellenHaltungen,denbewusstenundunbewusstenRoutinendesLebens
sind,soGramsci,Weltauffassungenenthalten,dieananderenOrten,zuan-
deren Zeiten, von anderenMenschen ausgearbeitet wurden. Indemwir sie
teilen, haben wir Teil an Traditionen und kollektiven Denkweisen, oft oh-
ne uns dessen bewusst zu sein: »[Man ist immer] Konformist irgendeines
Konformismus,man ist immerMasse-MenschoderKollektiv-Mensch« (GH:
1376).DiespezifischsubalterneKondition ist,»›zudenken‹,ohnesichdessen
kritisch bewusst zu sein, auf zusammenhangslose und zufälligeWeise, das
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik