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»dasheißtein›Erkennedichselbst‹alsProduktdesbislangabgelaufenenGe-
schichtsprozesses,derineinemselbsteineUnendlichkeitvonSpurenhinter-
lassenhat,übernommenohneInventarvorbehalt.EinsolchesInventargiltes
zuAnfangzuerstellen«(GH:1376).
DerBegriff des Alltagsverstands ist zentral für eine hegemonietheoretische
Rassismusanalyse. Er erlaubt es, Formender rassistischenVeranderung als
Elemente inkohärenter Selbst- undWeltverständnisse zu untersuchen. Ziel
ist dann nicht, ein geschlossenes rassistisches Weltbild zu identifizieren
und dessen TrägerIn entsprechend als RassistIn zu markieren, sondern
grundsätzlich davon auszugehen, dass rassistische Ideologien Teil eines
widersprüchlichen Ensembles von alltäglichenHandlungen undHaltungen
sind,das zugleich eine subjektiveFormdarstellt,Hegemonieverhältnisse zu
lebenunddazubeiträgt, siezustabilisieren.
InHinblickaufGramscisAusarbeitungdesKonzeptskönnennunweite-
re Leitfragen fürdieUntersuchungdesAlltagsverstands aus rassismuskriti-
scherPerspektiveformuliertwerden.Erstens:WelcheErfahrungenundEmp-
findungenwerdendurchdieÜbernahmeoderVerbreitungrassistischerDis-
kurse verarbeitet? Fürwelche Phänomene bieten rassistische Ideologien ei-
neErklärung,welcheKonflikteundWidersprüchewerdendurchsieversteh-
bargemacht?Zweitens: InwelchemVerhältnis stehen rassistischeElemente
desAlltagsverstandszuanderen,nicht-rassistischenElementen?Welchepo-
litischenFührungsangebote im ›KampfpolitischerHegemonien‹findensich
indenverschiedenenElementenwiederundwiesindsiezusammengesetzt?
Drittens:Welche ›verfestigten Schichten‹ historischer Rassismen spielen in
gegenwärtigenArtikulationendesRassismus imAlltagsverstand eineRolle?
Gramscis Auftrag ist hier von besonderer Relevanz: Die kritische Ausarbei-
tung des Alltagsverstands hat das Anlegen eines ›Inventars‹ zur Vorausset-
zung, in dembegonnenwird, die ›Unendlichkeit von Spuren‹ zu verzeich-
nen,die der geschichtliche Prozess hinterlassenhat. Zusammengenommen
lenktdas gramscianischeKonzeptdesAlltagsverstandsdieAufmerksamkeit
derRassismusanalyseaufdieArtikulationsformenrassistischerArgumenta-
tionen,Stereotypen,MetaphernundSinnzusammenhänge,die fürdieSub-
jektivierungderEinzelnen in ihremalltäglichenLebenrelevant sind.
GramscisDiskussiondesAlltagsverstandswirftzudemdieFrageauf,wel-
cheAkteurInnenrelevanteHandlungsmachtbesitzen,umindenKampfum
Hegemonieeinzutreten.Wiezuvorerwähnt,istdieKonditionderSubalterni-
tätnichtgleichzusetzenmitPassivität; undauchdenökonomischdominan-
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik