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282 ImNamenderEmanzipation
botenenKörperwürdendoch, soRommelspacher,wiederumentlang patri-
archalerZurichtungenundZwängebewertet: »DerKörperdarfnichtzudick
oder zu dünn sein, nicht zu alt oder zu schlaff.Nacktheit bedarf der sorg-
fältigenPflege. […]DieseZurichtungendesKörpers, die bis zur plastischen
Chirurgie reichen,markieren den Prozess der Unterwerfung unter Schön-
heitsnormen, die ebenso vielmit Selbstzwängenwiemit Befreiung zu tun
haben« (Rommelspacher2009c: 36).Das»westlicheModell«der liberalenGe-
schlechterpolitik sei geprägt vonWidersprüchen; es habe »nicht nur zu ei-
nergrößerenSelbstbestimmungderFrauengeführt, sondernauchzuextre-
menFormenderSexualisierungderÖffentlichkeit,derKommerzialisierung
derSexualität undzuneuenFormenvonGewalt und sexuellerAusbeutung.
Der ›Fortschritt‹ dieser Befreiungwurde folglichmitmassiven ›Rückschrit-
ten‹ erkauft« (Rommelspacher2009c: 36).Es seidieserWiderspruch,derdie
vehementgeführtenKopftuchdebattengrundiere.GabrieleDietzeschließtan
dieseBemerkungenantreibtdasArgumentweiter.SiesiehtSexual-undGe-
schlechterpolitikals »Signatur«antimuslimischerbzw.»okzidentalistischer«
Diskurse (Dietze2009: 33) und führtdenBegriff der »okzidentalenDividen-
de« ein, umderen Präsenz und Persistenz zu erklären.Demnach biete der
Vergleichmitder »Orientalin«und insbesonderemitder »Kopftuchfrau«als
Verkörperung patriarchaler Unterdrückung und sexueller Unfreiheit nicht-
muslimischenFrauendieMöglichkeit,sichalsüberlegenzuimaginieren.Der
dabei abfallendesymbolischeLohn,densieauch»Überlegenheitsdividende«
nennt, soll das latente, verdrängteWissenumdie »Unvollständigkeit der ei-
genenEmanzipation«kompensieren (Dietze2009: 35).NichtdieErfolgeder
Emanzipation, wie bei Jäger, sondern das Ausbleibenwirklich geschlechter-
demokratischerVerhältnisse–was »dieAufhebungdergeschlechtlichenAr-
beitsteilungbedeutenwürde,vollenZugangzujeglicherBerufstätigkeit(samt
gutorganisierterKinderbetreuung)beigleichemLohnfürgleicheArbeitund
dasDurchstoßenvonkarrierehemmendenGlasdecken«(Dietze2009:35)–ist
esdemnach,was indervergeschlechtlichtenKonstruktiondes/dermuslimi-
schenAnderentatsächlichverhandeltwird.
Die in den vorherigen beiden Kapiteln vorgenommene Analyse stützt
die Thesen von Rommelspacher und Dietze. Die in den Interviews meist
unausgesprochene,gelegentlichangedeutetePrämisse fürdieTemporalisie-
rung des/dermuslimischenAnderen ist dort,wo sie entlang des Topos der
sexuellenundGeschlechterverhältnisse formuliertwird,eineGeschichtevon
der gelungenen, erfolgreich erkämpften Emanzipation. Sie ist angewiesen
auf die Figurdes/dermuslimischenAnderen alsVerkörperungder eigenen,
Im Namen der Emanzipation
Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Titel
- Im Namen der Emanzipation
- Untertitel
- Antimuslimischer Rassismus in Österreich
- Autor
- Benjamin Opratko
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4982-0
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 366
- Schlagwörter
- Rassismus, Österreich, Islam, Moslem, Fremdenfeindlichkeit, Religion
- Kategorien
- Weiteres Belletristik