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Anton Kuh - Biographie
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32 In »Starbesetzung«  – Polak, Werfel, Kuh, Gustav Grüner  – liefert sich diese Stammtischrunde einen »pointensprühenden Wettbewerb der Einfälle und Meinungen, die wie Bälle im Ping-Pong-Spiel« hin und her geschupft werden, und das »so rasant, als ginge es um die Erringung einer Weltmeisterschaft«.84 Ebenfalls am Polak-Tisch: Otto Gross, der mit missionarischem Eifer die sexuelle Revolution verficht, die die Menschheit von der Unter- drückung durch patriarchalische Herrschaftsstrukturen befreien soll. »Psychoanalytiker auf Barrikadenhöhe«, springt er »alle zwei Minuten auf und [nimmt] irgendeine Frau oder einen Mann auf seine peripateti- schen Hüpfgänge durchs Lokal mit  – er [kann] nicht anders die letzte Konsequenz eines Gedankens entwickeln.«85 Nicht nur »die ganze Familie« Kuh ist dem »dämonischen Menschen« verfallen86, auch die erweiterte Familie, der »Herrenhof«-Stammtisch, steht ganz im Bann des charismatischen Sozial- und Sexualrevolu- tionärs. Ernst Polak und Ernst Weiß »sind schon ganz narrisch«, teilt Bibiana Amon am 23. Juni 1919 Anton Kuh, der zur Kur in Tobelbad bei Graz ist, brieflich mit: »Ernst Weiß speziell hat schon seinen Verstand mitsamt dem Kopf verloren, vor lauter ›Analyse‹ mit Otto Gross. Er redet schon ganz irre und ist für einen gewöhnlich Sterblichen höchst selten zu sprechen. Vor lauter Komplexen, die Otto an ihm entdeckt hat. Ähnlich geht es E. Pollak, nur scheint er etwas kühler zu sein.«87 Und nicht bloß predigt Gross uneingeschränkte sexuelle Libertinage  – sein Essayband »Drei Aufsätze über den inneren Konflikt« ist Pflicht- lektüre88  –, Promiskuität wird in der Boheme-Atmosphäre des »Her- renhof« programmatisch gelebt, wobei die Frauen nicht Spielfiguren sind, wie Kuhs Bemerkung, die Frauen »kiebitzten nicht dem Spiel, sondern bildeten es«89, einseitig mißverstanden werden könnte, son- dern emanzipierte Mitspielerinnen. Das Kaffeehaus ist nicht bloß Brutstätte90, Umschlagplatz und Labor revolutionärer Ideen  – »Hier werden die Meinungen gebildet, die Ge- meinplätze und manchmal auch die Gemeinheiten«91  –, es fungiert auch, ganz banal, als Arbeitsplatz resp. Büro. Dort schreibt man, erledigt man die Korrespondenz, dort trifft man Kollegen, Geschäftsfreunde, liest  – im »Central« etwa liegen 250 Zeitungen und Zeitschriften auf  –, und auch der jeweils benötigte Band des »Brockhaus«, des »Meyer« oder des Wiener Adreßbuchs wird auf Verlangen serviert. »Auch Ver- mittlung von Telephonnachrichten wird gratis und diskret besorgt, indem der Zahlmarkör den eintretenden Stammgast mit dem durch den ganzen Raum hallenden Ruf begrüßt: ›Herr von Pollitzer wurden von einer Dame angerufen, war aber nicht die Frau Gemahlin.‹«92
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Anton Kuh Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Anton Kuh
Untertitel
Biographie
Autor
Walter Schübler
Verlag
Wallstein Verlag
Ort
Göttingen
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8353-3189-1
Abmessungen
13.8 x 22.2 cm
Seiten
576
Kategorie
Biographien
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