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In »Starbesetzung« – Polak, Werfel, Kuh, Gustav Grüner – liefert
sich diese Stammtischrunde einen »pointensprühenden Wettbewerb
der Einfälle und Meinungen, die wie Bälle im Ping-Pong-Spiel« hin und
her geschupft werden, und das »so rasant, als ginge es um die Erringung
einer Weltmeisterschaft«.84
Ebenfalls am Polak-Tisch: Otto Gross, der mit missionarischem
Eifer die sexuelle Revolution verficht, die die Menschheit von der Unter-
drückung durch patriarchalische Herrschaftsstrukturen befreien soll.
»Psychoanalytiker auf Barrikadenhöhe«, springt er »alle zwei Minuten
auf und [nimmt] irgendeine Frau oder einen Mann auf seine peripateti-
schen Hüpfgänge durchs Lokal mit – er [kann] nicht anders die letzte
Konsequenz eines Gedankens entwickeln.«85
Nicht nur »die ganze Familie« Kuh ist dem »dämonischen Menschen«
verfallen86, auch die erweiterte Familie, der »Herrenhof«-Stammtisch,
steht ganz im Bann des charismatischen Sozial- und Sexualrevolu-
tionärs. Ernst Polak und Ernst Weiß »sind schon ganz narrisch«, teilt
Bibiana Amon am 23. Juni 1919 Anton Kuh, der zur Kur in Tobelbad bei
Graz ist, brieflich mit: »Ernst Weiß speziell hat schon seinen Verstand
mitsamt dem Kopf verloren, vor lauter ›Analyse‹ mit Otto Gross. Er
redet schon ganz irre und ist für einen gewöhnlich Sterblichen höchst
selten zu sprechen. Vor lauter Komplexen, die Otto an ihm entdeckt
hat. Ähnlich geht es E. Pollak, nur scheint er etwas kühler zu sein.«87
Und nicht bloß predigt Gross uneingeschränkte sexuelle Libertinage
–
sein Essayband »Drei Aufsätze über den inneren Konflikt« ist Pflicht-
lektüre88 –, Promiskuität wird in der Boheme-Atmosphäre des »Her-
renhof« programmatisch gelebt, wobei die Frauen nicht Spielfiguren
sind, wie Kuhs Bemerkung, die Frauen »kiebitzten nicht dem Spiel,
sondern bildeten es«89, einseitig mißverstanden werden könnte, son-
dern emanzipierte Mitspielerinnen.
Das Kaffeehaus ist nicht bloß Brutstätte90, Umschlagplatz und Labor
revolutionärer Ideen – »Hier werden die Meinungen gebildet, die Ge-
meinplätze und manchmal auch die Gemeinheiten«91 –, es fungiert
auch, ganz banal, als Arbeitsplatz resp. Büro. Dort schreibt man, erledigt
man die Korrespondenz, dort trifft man Kollegen, Geschäftsfreunde,
liest
– im »Central« etwa liegen 250 Zeitungen und Zeitschriften auf
–,
und auch der jeweils benötigte Band des »Brockhaus«, des »Meyer«
oder des Wiener Adreßbuchs wird auf Verlangen serviert. »Auch Ver-
mittlung von Telephonnachrichten wird gratis und diskret besorgt,
indem der Zahlmarkör den eintretenden Stammgast mit dem durch den
ganzen Raum hallenden Ruf begrüßt: ›Herr von Pollitzer wurden von
einer Dame angerufen, war aber nicht die Frau Gemahlin.‹«92
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Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Anton Kuh
- Subtitle
- Biographie
- Author
- Walter Schübler
- Publisher
- Wallstein Verlag
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Size
- 13.8 x 22.2 cm
- Pages
- 576
- Category
- Biographien