Seite - 33 - in Anton Kuh - Biographie
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In Prag – ab Herbst 1916 immer wieder auf Wochen und Monate
Lebensmittelpunkt – verkehrt Anton Kuh mit Karl Tschuppik, mit
dem ihn eine innige Freundschaft verbindet, mit Franz Werfel und Max
Brod, ist häufig bei den ausgelassenen Soireen des gastfreien Textil-
industriellen und Mäzens Eugen Loewenstein93 zu sehen sowie als
»Hospitant« am Literatentisch im Café Arco, Ecke Dlážděná und
Hybernská, wo die »junge«, dem Expressionismus nahestehende Gene-
ration ihr Hauptquartier hat (während die alte sich im Café Continental
auf dem Graben versammelt): Franz Werfel, Max Brod, Franz Kafka
(der sich selten sehen läßt), Johannes Urzidil, Hans Janowitz, Franz
Janowitz, Karl Brand, Oskar Baum, Otto Pick, Otto Ro(senf)eld, Ernst
Feigl, Willy Haas, Paul Leppin, Paul Kornfeld, Rudolf Fuchs. Das
»Arco« ist als »Szenelokal« auch Fixpunkt auswärtiger Gäste: »Anton
Kuhs Schwestern schnupften [hier] ihr Kokain und sein Schwager
Dr. Groß, ewig auf der Flucht, gelangte von allen Themen zu seinem
ewigen Steckenpferd, dem Mutterrecht«, weiß der »Arco«-Habitué
Johannes Urzidil zu berichten.94
Ab Juli 1917 verkehrt Kuh regelmäßig mit Leo Perutz95: im »Central«,
dann im »Herrenhof«, abends in der Carlton-, der Reiss- und der Re-
naissance-Bar wie auch privat tagsüber und abends bei Gesellschaften
in Perutz’ Wohnung; oft zu Gast: Egon Erwin Kisch, Franz Elbogen,
Hugo Sperber, das »letzte Original des Wiener Barreaus«, dem ein leider
standeswidriges Werbeplakat mit folgendem Text vorschwebt: »Räu-
ber, Mörder, Kindsverderber / Gehen nur zu Doktor Sperber«96, Egon
Dietrichstein, Franz Werfel, Otfried Krzyzanowski, Paul Frank, Paul
Stefan, bisweilen Arnold Höllriegl und Lia Rosen. Bei den Perutzschen
Abendgesellschaften gibt Kuh des öfteren eines seiner »großen Pro-
gramme«97 – deklamiert etwa am Abend des 6. Oktober 1918 »pracht-
volle Shakespearesche Königsmonologe«98 –, soll heißen eines seiner
für alle Bescherten unvergeßlichen »Privatkabaretts«, oder einen »klei-
nen speech«. Da karikiert er innert zehn Minuten ein vollständiges
Drama, etwa Franz Grillparzers »Ahnfrau« à la Burgtheater oder Ger-
hart Hauptmanns »Weber« à la Stadttheater Leitomischl.99 Oder stellt
eine der Dutzenden urwüchsigen Jargon-Possen, die er auswendig kann,
auf die improvisierte Bühne.100 Als Alleinunterhalter vertreibt er auch hie
und da die Langeweile in den Salons betuchter Wiener Herrschaften
–
gegen gutes Honorar, versteht sich: »Börsen- und Rennwettenverluste
schluckt die Sippschaft – ausgerechnet ihr Dabeisein bei der Literatur
soll gratis sein?!«101 Für die Kaffeehaus-Habitués und die befreundeten
Drahrer sind die oft nächtelangen solokabarettistischen »Vorstellungen«
gewöhnlich umsonst: ein »Katarakt von Geist und Witz, unausschöpf-
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien