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jene Atmosphäre apriorischer Aufgeräumtheit, Lachmuskeln im An-
schlag, die einer gewissen prophylaktischen Einstellung entspringt: auf
jeden Fall nichts ganz ernst nehmen zu wollen, was immer der Satiriker
sagen werde. Denn er ist eben ein Satiriker und überdies der Kuh.« Und
nimmt ihn gegen das schiere Unterhaltungsbedürfnis des Publikums in
Schutz: Was Kuh so besonders mache, sei die Improvisation, und für
seine Fähigkeit, »wirkliche Essays zu improvisieren«, gebühre ihm die
Bezeichnung »großer Künstler«.33
Ob nun die »große Auffahrt von Autos, strömender Zulauf von
Publikum« ins Theater in der Josefstadt, der »Andrang bei der Billet-
tenkasse, als sei man einer Sensationspremiere gewärtig«, auf den Vor-
tragenden zurückzuführen sei oder auf sein Thema, »Sachlichkeit in
der Erotik«, ist für den Rezensenten der »Neuen Freien Presse« leicht
entschieden: auf beide, »sowohl Anton Kuh wie sein Thema. Gerade
die Ver
einigung dieses hellen, ganz vorurteilsfrei und angenehm amora-
lischen Kopfes mit einem so brennend wichtigen Thema weckt das
stärkste Interesse. Man wird auch keineswegs enttäuscht. Kuh ent-
täuscht ja auf dem Podium niemals. Wie jetzt kein anderer neben ihm
ist er ein meisterhafter Redner.«34
»Der unverstandene Wedekind« wird in Prager Zeitungen angekün-
digt als »Vortrag, der die letzten Dinge der Erotik behandelt«35. Der
Rezensent der »Prager Presse« stellt denn auch klar, daß, wer den
»unterhaltsamen Geschlechtsfragensprecher Kuh« zu vernehmen erhofft
hatte, diesmal kaum auf seine Rechnung gekommen sei: »mitteilungs-,
überzeugungsbedürftig wie noch nie, entriet Kuh diesmal aller Zu-
geständnisse an das Niveau der Zuhörer und formte das Bild, das er sich
von dem Dichter und Menschen Wedekind geschaffen hat, mit jenem
unverfälschten Fanatismus, der Wedekinds treibende Kraft gewesen
ist.«36 Und jener der »Bohemia« muß, auch wenn er über die »ge-
schmacklose Reklame«, die neuerdings für Kuh gemacht werde, die Nase
rümpft, anerkennen, daß dessen Vorträge »wirklich ein hohes geistiges
Vergnügen« sind, und er benennt die unterschiedlichen Erwartungen
von Kuhs disparatem Publikum: »Wenn Kuh sein Brillantfeuerwerk
geistreicher Einfälle und philosophischer Witze abbrennt, gibt es wirk-
lich für den Literaturmob etwas zu gaffen. Seine pointierten Trivialitäten,
in denen versucht wird, ganze weite Begriffs- und Gefühlskomplexe
auf das Schlagerhafte eines Feuilletontitels zu reduzieren, bleiben der
Mehrzahl der Zuhörer […] fester im Gedächtnis haften als die tieferen
Wahrheiten seiner ›Wie ich es sehe‹-Kritik. Schaumschlagen mag immer-
hin nur ein Kinderspiel sein, wer möchte deshalb die farbige Schönheit
leugnen, die auch in der Seifenblase den ewigen Himmel spiegelt? Kuhs
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien