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Anton Kuh - Biographie
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56 Wie aber kommt er erst ins Reden? Wie »stegreift« er? Was prädesti- niert ihn dazu? In dem launigen Text »Über das Reden« läßt er sich in die Karten sehen: »›Stegreifreden‹, das heißt im Grunde: sich einbilden können, daß man unter dem Galgen steht und nur noch fünf Minuten für eine rettende Ansprache Zeit hat.«70 Oberste Regel: »des Redners Blutdruck ist wichtiger als seine Beschlagenheit. Voll wie ein Faß muß dein Hirn beim ersten Satz sein. So daß du’s nur mit einem Witz anzu- zapfen brauchst, damit es überläuft.«71 Entgegen Franz Bleis Annahme hütet sich Kuh davor, sich seine Rede vorher »in allen Gedanken- und Beweisgängen deutlich zu machen«. Täte er’s, ergäbe das ja nur eine Art Memorieren, »die Affekte wären längst verdampft, wenn die Worte auf die Welt kommen. Ich mache mir also bloß klar, was ich jemandem über die Materie, die ich behandeln soll, unter vier Augen und mit ein paar Sätzen sagen würde.«72 Wie erlangt man das Animo, das es braucht, um beim Reden in Fahrt zu kommen?  – »Dadurch, daß man es sich als Antwort auf eine unbe- kannte These oder Entgegnung suggeriert, das heißt: sich mit der ver- schluckten Anrede: ›Falsch!‹ oder ›Im Gegenteil!‹ aufs Podium schwingt. Als seien nämlich Hunderte Menschen im Saal versammelt, die einen mit dem gleichen Ruf empfangen.«73 Kuh konstruiert sich einen Wider- sacher, gegen den er sich nach allen Regeln der Fechtkunst in Hieb und Parade funkelnd verteidigt. Wenn es wirklich geschieht, hat er schon gewonnen! »Er braucht dann keinen Kognak mehr, kein Anfangspathos (das für die Rede un- gefähr dasselbe bedeutet wie die Kurbel für das Auto), ja nicht einmal ein Podium. […] er kann aus dem Zustand des thematischen Blut- andrangs nach dem Kopfe nicht mehr in die entsetzliche Verfassung der Blutleere und Affektlosigkeit fallen.«74 Wenn nicht, stellt er sich vor, der Saal empfange ihn geradezu mit dem Ruf: »Im Gegenteil!« Dann: »Von der straff gespannten Sehne dieser Einbildung schnellt mein Rede- pfeil los. Es ist durchaus keine rhetorische Arbeit mehr, das Rhetorische ergibt sich daraus so von selber wie aus der Wut des Schimpfens.«75 Der Stegreif-Redner schleudert sein »Falsch!« oder »Im Gegenteil!« einem »markierten Gegner« ins Gesicht, den er sich mit aufs Podium nimmt, er »polemisiert mit einer Luftgestalt«76, die er sich als »einen niederträchtigen Dickschädel, als einen prinzipiell Anders-Gesinnten, als einen hämischen Beinsteller« vorstellt, der jede noch so plausible Bemerkung mit der Frage »Wieso?« oder mit der Aufforderung »Be- weisen!« unterbricht. Aus der Vorstellung, diesen ekelhaften Popanz am Kragen zu halten und mit ihm anstellen zu können, was er will, sprudelt sein Redefluß.
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Anton Kuh Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Anton Kuh
Untertitel
Biographie
Autor
Walter Schübler
Verlag
Wallstein Verlag
Ort
Göttingen
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-8353-3189-1
Abmessungen
13.8 x 22.2 cm
Seiten
576
Kategorie
Biographien
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