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ausgesetzt Millenkovich hämisch benörgeln, zum Anlaß, eine ganz
besondere »Blüte unseres heimischen Schrifttums«, dessen »Schreiber zu
dem Vortrag keinen Zutritt hatten«, herauszugreifen und beim Namen
zu nennen: »Ist es nicht ergötzlich, wie hysterisch sich hier klägliches
Unvermögen abzappelt, geistreich zu erscheinen, wie einer in dem
krampfhaft verzerrten Bestreben, sich witzig zu erweisen, seine völlige
Witzlosigkeit enthüllt? […] Und wie dürftig muß es um einen Schrift-
steller bestellt sein, der den ›Witz‹ nicht veschmäht, statt ›arisch‹ ›ar’sch‹
zu schreiben! Kein Zweifel, dieser Herr Kuh würde uns unfehlbar für
geistreich halten, wenn wir scherzweise den Tiernamen, den er trägt, ins
Maskulinum verwandeln würden, was seine Leser, verlockt durch die
Geistlosigkeit seines Geschwätzes, sicher in Gedanken schon oft genug
getan haben.«112
– »Stier«, »Ochs«? Die Schmähungen von rechts sind,
überaus geistreich, auf »Muh!« gestimmt.
Als Theaterkritiker exerziert Kuh im »Morgen« auch Woche für
Woche sein programmatisches »Épater le bourgeois«, und das respekt-
loser, polemischer, sarkastischer denn je. Als Gerichtssaalreporter nimmt
er sich oftmals jener skandalträchtigen Fälle an, die im Bereich »Sitt-
lichkeit und Kriminalität« angesiedelt sind; nimmt er Partei für jene, die
der Justizmaschinerie hilf-, weil sprachlos ausgeliefert und unter die
Räder der Klassenjustiz kommen, weil sie sich ihrer Haut nicht zu
wehren vermögen, da ihnen schlicht die Worte fehlen, die den akademi-
schen Rechtsbürokraten im Talar genehm klingenden Worte. Die Praxis
der Rechtsprechung wird nicht bloß mit ihren gesellschaftspolitischen
Hintergründen verknüpft – patriarchale Doppelmoral, Heuchelei in
Dingen der Sexualmoral –, Kuh schält das Personal, das den Vollzug
der irdischen Gerechtigkeit über hat, aus seinen Ornaten – durchaus
mit dem Pathos der Empörung. Die Glosse zu einem konkreten »Fall«
weitet sich zur Justizsatire, zur mit Ingrimm bedachten Anmaßung des
beamteten Zu-Gericht-Sitzens.
Empörung auch über die Willfährigkeit der Subalternen, die Ge-
fängnisinsassen mit Billigung der Richter malträtieren;113 über Gerichts-
psychiater, die sich zum Büttel des Staatsanwalts machen, den hippo-
kratischen Eid hippokratischen Eid sein lassen, wenn es darum geht,
auch noch die vom Fronteinsatz schwer ramponierten und
traumatisierten Lazarettler wieder »einrückend zu machen«.114
Unter dem Thema »Der alte Goethe und der junge Schopen-
hauer« zieht Anton Kuh am 7. Mai 1918 im Rahmen einer vom
»Prager Tagblatt« für das Kaiser-Karl-Wohlfahrtswerk veran-
stalteten Vortragsreihe gegen den »Geistespapst« und »Kunst-
tyrannen« vom Leder, der alles daransetzte, seinen Besitzstand
Prag,
Hotel Zentral,
7.5.1918, 19 Uhr:
Der alte Goethe
und der junge
Schopenhauer
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien