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weiß genau zu sagen, »wer auf dem Vormerkblatt des Mordes« steht
und als nächster drankommen wird.24 Und empört sich über die Blind-
heit der deutschen Justiz auf dem rechten Auge*25 und den Wiglwagl der
Wiener Kommentare: »Man konnte darauf gefaßt sein, daß die Wiener
Presse, zu ängstlich, das deutschnationale Kind beim Namen zu nennen,
zu sehr um die Würde des lavierenden Einerseits-Andererseits bemüht,
um die Ursache der Ermordung klipp und klar festzustellen, sich in
eine pathetische Entente-Verdammung retten und die Tat tollwütiger
Gymnasiasten mit solchem Hinweis beschönigen würde.«26
Am 19. September 1921 stellt der »Morgen« unter dem Titel »Zu-
schriften«
– Tenor: »Gemeinheit«, »zersetzendes Gift«, »Judenblatt!«
–
klar: »Zu der in unserer letzten Nummer erschienenen Glosse ›Links
und rechts‹, die wahrheitsgemäß Deutschlands innerpolitische Situation
schilderte, und dem Feuilleton Anton Kuhs über den ›Hochverrat an
der Dummheit‹ erhalten wird neben einer Anzahl zustimmender auch
einige empörte Zuschriften, mit denen wir uns – soweit ihre Autoren
nicht jene kindische Schreibart auszeichnet, die sich offenkundig an
Abortwänden viel besser austoben würde – im folgenden ein bißchen
auseinandersetzen wollen. / Was war der Inhalt jener Glosse? Sie schil-
derte in Übereinstimmung mit deutschen Blätterberichten und auf
Grund notorischer, jedem Deutschen ins Aug’ springender Tatsachen
die unhaltbare Situation der deutschen Reichsregierung, die zur Strafe
für Erzbergers Ermordung nach links statt nach rechts scharf macht.
Ob die Schilderung richtig war, davon mag man sich aus den deutschen
Blättern oder, wenn man Zeit dazu hat, durch einen vierzehntägigen
Abstecher ins Reich überzeugen.«
– Bei einem Abstecher nach Bayern
im Sommer 1921 hat Kuh sich längst davon überzeugt.27
Als er nach beinahe zweijähriger Pause im Oktober 1921 wieder in
der Prager Urania spricht, und zwar über »Die Erotik des Bürgers«,
* Mit der systematischen Akribie des Statistikers sammelt der Menschen-
rechts- und Friedensaktivist Emil Julius Gumbel die Urteile deutscher
Gerichte in Fällen politisch motivierter Mordtaten, die ab dem 9.11.1918
begangen wurden. In »Vier Jahre politischer Mord« (Berlin 1922 [5. (erwei-
terte) Auflage seines erstmals 1921 erschienenen justizkritischen Buchs
»Zwei Jahre Mord«], S. 81) zieht er Bilanz: Von 354 Morden, begangen von
»Rechtsstehenden«, bleiben 326 ungesühnt, werden 27 teilweise gesühnt,
wird einer gesühnt; es werden 24 Verurteilungen ausgesprochen; die Haft-
dauer pro Mord beträgt vier Monate. Von 22 Morden, begangen von »Links-
stehenden«, bleiben vier ungesühnt, wird einer teilweise gesühnt, werden
17 gesühnt; es werden 38 Verurteilungen ausgesprochen; die Haftdauer
pro Mord beträgt 15 Jahre; zehn Verurteilte werden hingerichtet.
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Buch Anton Kuh - Biographie"
Anton Kuh
Biographie
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Anton Kuh
- Untertitel
- Biographie
- Autor
- Walter Schübler
- Verlag
- Wallstein Verlag
- Ort
- Göttingen
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8353-3189-1
- Abmessungen
- 13.8 x 22.2 cm
- Seiten
- 576
- Kategorie
- Biographien