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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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ließ sich Hyrtl in Betrachtung eines Totenschä- dels porträtieren (Abb. 19), eine für einen Anato- men durchaus passende Pose, wie das Denkmal für seinen Kollegen Karl Langer von Edenberg (Alfonso Canciani 1903) im Arkadenhof zeigt, doch hinter der pathetischen Geste, die auch an die Rolle des Hamlet erinnert, sind zusätz- lich Vanitasgedanken zu vermuten. In seinen Tagebuchaufzeichnungen berichtet Hyrtl, wie er auf Reisen gerne die Grabmäler berühmter Anatomen aufsuchte, unter anderem in Bolog- na. Er notierte zu dem Grabstein des Mondino de Luzzi aus dem 14. Jahrhundert in Santi Vita- li ed Agricola: ein Professor auf der Kanzel umge- ben von seinen Zuhörern.64 Auch der Pathologe Carl von Rokitansky be- wahrte den Schädel eines berühmten Mannes in seinem Institut auf. 1852 war der Schädel Josef Haydns auf abenteuerliche Weise bei ihm gelan- det. Schüler Galls hatten ihn aus dem Grab ent- wendet und in einem Holzkästchen auf Samt ge- bettet versteckt.65 Die Semantik des Schädels und die beson- dere Beziehung, die Mediziner professionsbe- dingt dazu entwickelten, mag die Fülle an Me- dizinerporträts in Form von Medaillen und Büsten erklären, die im 18. und 19. Jahrhundert entstanden.66 Man wollte auch die eigene Phy- siognomie der Nachwelt überliefern. Carl Frei- herr von Rokitansky, Pathologe und Philosoph, der erste Rektor aus der Medizinischen Fakultät, auch Präsident der Akademie der Wissenschaf- ten, wurde schon 1874 zu seinem 70. Geburtstag mit einer lebensgroßen Marmorbüste von Viktor Tilgner geehrt, von der er selbst fünf Kopien an- fertigen ließ.67 Er wurde 1885 unter den ersten zu Ehrenden für den Arkadenhof genannt, er- hielt sein Büstendenkmal von Emmerich Alexi- us Swoboda aber erst 1898. die alibifrau: marie von ebner-eschenbach Die Frau ist im Arkadenhof aufgrund ihrer so- ziokulturellen Stellung im 19. Jahrhundert lediglich in ihrer traditionellen Rolle als Mu- se des männlichen Gelehrten vertreten – in der Nymphe Kastalia als Quelle der Inspiration und als weiblicher Genius, der in barocker Ma- nier dem Mediziner Ernst von Brücke huldigt (Otto König 1894). Auf diesen Sachverhalt re- agierte das 2009 entstandene Kunstprojekt Iris Andrascheks, das in Form einer Granitintarsie den Schatten der Muse als Silhouette einer re- bellierenden Frau wiedergibt. Es konnte in der Entstehungszeit des Arkadenhofes keine Frau als Universitätsprofessorin geehrt werden, da die Möglichkeit eines Studiums an der Universität Wien von Frauen erst gegen Ende des 19. Jahr- hunderts mühsam erkämpft wurde, ab 1897 an der philosophischen, 1900 an der medizinischen Der ArkADenhof im hAuptgebäuDe Der universität Wien 31 Anschluss an Goethe), in: Kritische Berichte, 3, 2008, S. 11–12. An der Universität Pavia kann man noch heute in der medizinhistorischen Sammlung den mumifizierten Schädel von Carlo Scarpa gegenüber seiner klassizistischen Büste als Supraporten bewundern. 64 Zit. nach Der Anatom Josef Hyrtl (zit. Anm. 53), S. 34–35. 65 URL: http://www.meduniwien.ac.at/homepage/fileadmin/pdfs/News/hintergrundinformation_haydn_schaedel. pdf, abgerufen am 28. Juni 2015. Der Schädel wurde 1954 in Eisenstadt beigesetzt, ein Gipsabguss befindet sich im Historisch-pathologischen Museum im Narrenturm in Wien. 66 S. z.B. die Medaillensammlung Brettauer, Institut für Numismatik und Geldgeschichte der Universität Wien. 67 Carl Freiherr von Rokitansky (1804–1878). Pathologe, Politiker, Philosoph. Gründer der medizinischen Schule des 19. Jahrhunderts. Gedenkschrift zum 200. Geburtstag (hrsg. v. H. Rumpler/H. Denk), Wien/Köln/Weimar 2005, S. 181. Das Original befindet sich heute im Wiener Institut für Geschichte der Medizin, Josephinum. Für das Medi- zinerporträt s. auch den Beitrag zu Th. Billroth von J. Rüdiger in diesem Band.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Titel
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Herausgeber
Ingeborg Schemper-Sparholz
Martin Engel
Andrea Mayr
Julia Rüdiger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
WIEN · KÖLN · WEIMAR
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20147-2
Abmessungen
18.5 x 26.0 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
Kategorien
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