Seite - 326 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Bild der Seite - 326 -
Text der Seite - 326 -
• Sind partizipatorische Denkmalprojekte in
der heutigen Zeit noch möglich?
• Ist die Bedeutsamkeit von Wissenschaft-
lerinnen für skulpturale Repräsentationen
immer noch nicht gesellschaftlicher Kon-
sens? • Und ist daher die geringe Resonanz auf das
erste vollfigurige Denkmal einer Wissen-
schaftlerin ein Ausdruck dafür, dass Me-
morialkultur ausschließlich gesellschaft-
lich etablierten Kräften zugestanden wird?
der kunstwettbewerb
Als die finanziellen Mittel mit hohem Aufwand
nach sechs Jahren eingeworben waren, wobei ich
in den letzten Jahren intensiv vom neu gewähl-
ten Präsidenten und der neu gewählten zentralen
Frauenbeauftragten unterstützt wurde, konnte
ich endlich mit der Vorbereitung des Kunstwett-
bewerbs beginnen. Damit dessen Durchführung
allen rechtlichen Vorgaben entsprach, hatten wir
über ein Auswahlverfahren eine professionel-
le Wettbewerbskoordinatorin ausgewählt. Der
Wettbewerb wurde im Einladungsverfahren als
anonymer, einstufiger Realisierungswettbewerb
durchgeführt. Wir entschieden uns, ihn euro-
paweit und für Israel auszuschreiben. Am 1. Fe-
bruar 2013 wurde er veröffentlicht und an alle
Künstlerverbände verschickt. Insgesamt betei-
ligten sich 81 Künstler und Künstlerinnen aus
Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine
Auswahlkommission, bestehend aus Angehörigen
der Humboldt-Universität zu Berlin und auswär-
tigen Kunsthistorikerinnen, wählte am 5. April
2013 vier Künstlerinnen und Künstler sowie eine
Künstlergruppe aus, die innerhalb von sechs Wo-
chen einen Denkmalentwurf einreichen konnten.
14 Tage später fand für sie ein Rückfragekollo-
quium statt, bei dem ihnen der genaue Wortlaut
der Aufgabenstellung für den Denkmalentwurf
mitgeteilt wurde. Zuvor hatte es dazu eine aus-
führliche Diskussion im Preisgericht gegeben, in
dem ich mich aber mit meiner Formulierung,
das Denkmal erkennbar weiblich und porträt-
haft zu gestalten, mit dem Ziel, Frauen in der Wissenschaft sichtbarer zu machen, nicht durch-
setzen konnte. Insbesondere seitens der Kunst-
wissenschaftlerinnen, die die Vorgabe „erkenn-
bar weiblich und porträthaft“ als zu einengend
empfanden, wurde über die Formulierung hef-
tig diskutiert. Wir einigten uns auf die Formulie-
rung: „Das Denkmal soll die unverwechselbaren
Züge der Persönlichkeit Lise Meitner zeigen.“
Der genaue Wortlaut der Wettbewerbsauf-
gabe lautet daher folgendermaßen: „Lise Meit-
ner repräsentiert mit ihrer Forschungsleistung
und ihrer Biographie konkrete Berliner Wissen-
schafts- und Universitätsgeschichte. In Anbe-
tracht ihrer Lebensleistung soll Lise Meitner ein
Denkmal im Ehrenhof der Humboldt-Universi-
tät zu Berlin gesetzt werden. Als Jüdin verfolgt
und als Frau diskriminiert, gehört Lise Meitner
in die Reihe der weltweit anerkannten Berliner
Wissenschaftler des Denkmalensembles am his-
torischen Forum Fridericianum.
Das Denkmal soll die unverwechselbaren
Züge der Persönlichkeit Lise Meitner zeigen.
Die Gestaltung des Lise-Meitner-Denkmals soll
sich gegenüber den am vorgegebenen Ort bereits
vorhandenen Denkmälern – M. Planck von B.
Heiliger (1948/49, Bronze), H. von Helmholtz
von E. Herter (1899, Marmor) und Th. Momm-
sen von A. Brütt (1909, Marmor) – durch ih-
re Eigenart und ihren zeitgenössischen Ausdruck
künstlerisch behaupten.“5
Am 18. Juni 2013 entschied das Preisgericht
über die anonymisierten Entwürfe. Als ich die
angelika
keune326
5 Auslobungstext Berlin, Nichtoffener Kunstwettbewerb für das Lise-Meitner-Denkmal im Ehrenhof der Humboldt-
Universität zu Berlin, Berlin 2013, S. 33.
Open Access © 2018 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
zurück zum
Buch Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa"
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken