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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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greifen. Ihr breites, außergewöhnliches Œuvre umfasst ein Universum menschlicher Wesen, de- ren Bilder sie formte: von Kindern, Frauen und Männern ihrer unmittelbaren Umgebung bis zu bekannten Persönlichkeiten. Sie formte Ge- schöpfe der Fantasie, Undinen, Amazonen, trau- ernde Seelen und weibliche Plagegeister, aber ebenso Symbole weiblichen Widerstandes und weiblicher Größe, wie „Kassandra“ (1982) und „Jeanne d’Arc“ (2003), vor allem jedoch Porträts starker Frauen der Vergangenheit und der Ge- genwart. Und immer wieder Skulpturen, die an die Vernichtung jüdischer Menschen gemahnen. Ein Jahr lang hat sich die Künstlerin inten- siv mit der Persönlichkeit Lise Meitners ausein- andergesetzt, sich in Literatur und Fotos vertieft; Körperhaltung, Augen und Mund sorgfältig stu- diert und in verschiedenen Techniken, Skizzen, Büsten, Medaillen, ausprobiert – und dabei stän- dige Veränderungen an der Plastik vorgenom- men (Abb. 13). Ernsthaftigkeit und Würde ge- hören ebenso zu Schwarzbachs Bildsprache wie Ironie und Skurrilität. Im Laufe ihres Künst- lerlebens bevorzugte sie zunehmend skulptu- rale Formen des Unabgeschlossenen, der Aus- lassung, des „non finito“. Die „erzählerische” Bearbeitung des Materials rückte in den Vor- dergrund, dessen Stofflichkeit, dessen Zufällig- keiten sollen erkennbar sein. So ist ihr eine äu- ßerst bewegte Figur gelungen. Der rechte Fuß zeigt zum Hauptportal des Universitätsgebäu- des, das Gesicht zum gegenüberliegenden Ein- gang des Ehrenhofes, dem Eintretenden zuge- wandt. Dadurch ist eine Drehung und starke Dynamik in den Körper eingeformt. Die 157 cm hohe Figur (Lise Meitner war 149 cm groß) ist leicht nach vorn geneigt, so, als ob sie forschend dem Betrachter ein wenig näher kommen möch- te (Abb. 14). Demgegenüber sind die männlichen Gelehr- tendenkmäler des 19. und des 20. Jahrhunderts mit der ausdrücklichen Absicht ihrer Schöpfer in erster Linie repräsentativ angelegt. Sie wirken auffallend statisch. Bei den Humboldt-Denkmä- lern und bei Mommsen ist die Unbeweglichkeit, das Majestätische schon durch die Sitzhaltung vorgegeben. An der aufrechten Helmholtz-Sta- tue ist keine Bewegung erkennbar. Im hoheits- vollen Gestus, in sich ruhend, steht er den Be- trachtern gegenüber. Unterstrichen wird die würdevolle Haltung durch den typischen Kanon der Attribute der Gelehrsamkeit wie Buch, Talar und antike Bildzitate. An der gesellschaftlichen Anerkennung dieser Gelehrten gab es keinen Zweifel. Die Humboldts, Helmholtz, Momm- sen, Thaer, Beuth, Schinkel – sie alle eint eine erfolgreiche, geradlinige, ungebrochene Biogra- fie. Sie waren Helden, Helden ihrer Zeit, Hero- en des Geistes, und dieses Heldenhafte ist in ihr Denkmal eingearbeitet. Bei der Lise-Meitner-Figur dominieren in der Körperhaltung, wie auch im Gesichtsaus- druck, gleichfalls Selbstbewusstsein und Würde, Abb. 13: Die Bildhauerin Anna Franziska Schwarzbach bei der Arbeit am Tonmodell für das Lise-Meitner-Denkmal. Von AlexAnder Von Humboldt bis lise meitner 331
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Titel
Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
Herausgeber
Ingeborg Schemper-Sparholz
Martin Engel
Andrea Mayr
Julia Rüdiger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
WIEN · KÖLN · WEIMAR
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20147-2
Abmessungen
18.5 x 26.0 cm
Seiten
428
Schlagwörter
Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
Kategorien
Geschichte Chroniken
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