Seite - 349 - in Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
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Hand, mit einer leichten Bewegung die Treppe
der Universität herabsteigt (Abb. 15). Aufgrund
seiner Popularität wird er in einer Situation ge-
zeigt, in der er den einfachen Menschen nahe er-
scheint, was allerdings die Gefahr in sich birgt,
als „spazierende Statue” in dem großstädtischen
Raum viel an symbolischer Bedeutung eines Ge-
lehrtendenkmals zu verlieren.
Es ist eindeutig, dass die Räume der Memo-
ria da eine Zukunft haben, wo sie keine geschlos-
senen Systeme bilden, sondern geeignet sind, die
Bildnisse weiterer bedeutender Gelehrter aufzu-
nehmen. Die Campus sind Gedenkorte solcher
Art, wo es noch Raum für weitere Kunstdenk-
mäler gibt. Die Ehrenhallen in architektonischen
Räumen bleiben aktive Gedenkorte, wenn die
Möglichkeit besteht, weitere Monumente ein-
zufügen, wie zum Beispiel unter den Arkaden
des Budapester Agrarministeriums. Ebenso bei
der Ruhmeshalle des Domplatzes von Szeged, wo schon vor langer Zeit das Streben der Grün-
der nach der Veranschaulichung der ungarischen
Kulturdominanz schwand und die moderne Ar-
chitektur des Platzes ein ikonischer Raum wur-
de, den die Denkmäler in den Arkaden mit geis-
tigem Inhalt erfüllen. Was die modernen Medien
in Ungarn betrifft, gilt die Praxis der Universität
für Forstwissenschaft in Sopron als beispielhaft,
wo Fotos sämtlicher dortiger Gelehrtendenkmä-
ler auf der Homepage der Universität zu finden
sind und man neben dem Foto auch die Daten,
die Laufbahn, die wissenschaftlichen Erfolge des
Dargestellten ablesen kann.33 Neben dem wirkli-
chen Denkmalensemble entsteht also ein ande-
res, im virtuellen Raum zugängliches.
Man könnte sich an dieser Stelle fragen,
ob die traditionellen Formen der Bewahrung
der Gelehrtenmemoria im Zeitalter des Inter-
nets noch einen Sinn haben. Unserer Meinung
nach ist es durch nichts ersetzbar, dass Studen-
ten und Professoren Tag für Tag den Bildnissen
der berühmten Wegbereiter begegnen, in deren
Fußstapfen sie treten möchten und die im gege-
benen Fach mit ihren Erfolgen sich, ihrer Profes-
sion und der Universität einen Rang verschafft
haben. Das Gelehrtendenkmal im öffentlichen
Raum ist ein Bestandteil der kollektiven Identi-
tät der Auftraggeber, und durch die Errichtung
des Kunstwerks wird es sogar zum symbolischen
Repräsentanten der Selbstbestimmung einer
größeren Gemeinschaft. Und wenn die Kunst-
werke, welche die Gestalten von Gelehrten her-
aufbeschwören, in öffentlichen und in Gemein-
schaftsräumen stehen und sich in die Textur der
Stadt einbetten, können sie ihre Wirkung über
die Bedeutung der Gelehrten und der Wissen-
schaften in noch breiteren Kreisen der Gesell-
schaft ausüben.
Abbildungsnachweis: Abb. 1: Martin Mádl, Ústav dějin
umění Akademie věd České republiky; Abb. 2, 5, 6, 7,
8, 9, 12, 13, 15: Verfasser und Péter Hámori, MTA Böl-
Auf der Suche nAch räumen und formen der memoriA 349
33 http://www.nyme.hu/index.php/6252/?&L=1, abgerufen am 23. Jänner 2017.
Abb. 15: Lajos Bíró, Albert Szentgyörgyi, 2013, Szeged, Du-
gonics tér.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken