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Frage war in den 1920er-Jahren im Königreich
der Serben, Kroaten und Slowenen (SHS) das
dringendste Problem der slowenischen Intelli-
genz, die in diesem Zusammenhang keine Un-
terstützung bei den kroatischen und serbischen
Kollegen, insbesondere nicht bei den Linguis-
ten, fand.35 Am Ende des Jahres 1925 und 1926
einigte die Drohung einer gewaltigen Universi-
tätsreform die ansonsten tief zerstrittenen Orga-
nisationen und Parteien zur Herausgabe einer
gemeinsamen Resolution „Für die Autonomie
der Laibacher Universität“.36 Und der bedeuten-
de slawische Gelehrte aus Slowenien wurde eine
der wichtigsten Referenzen, die für die sloweni-
schen Bestrebungen sprachen und durch Denk-
mäler präsent waren.
Die Miklosich-Büste für Luttenburg wur-
de bei dem Wiener Bildhauer und Akademie-
professor Johann Scherpe, dem Autor des
Miklosich-Denkmals im Arkadenhof der Uni-
versität Wien (enthüllt 1897), bestellt.37 Sie ist
eine exakte Kopie des Wiener Denkmals und
wurde nach der Enthüllung von dem zu die-
ser Zeit noch studierenden Literaturhistoriker
und Schriftsteller Bratko Kreft (1905–1996) we-
gen der Auswahl des Künstlers stark kritisiert:
„Überall soviel Slowenentum, überall soviel
Nationalismus und die Gewohnheit, dass den
Auftrag ein Fremder bekommt und dass man
die Arbeit nicht dem slowenischen Künstler zu- traut.“38 Von den slowenischen Bildhauern, die
gegenwärtig gute Denkmäler anfertigen wür-
den, hebt er den jungen Tine Kos (1894–1979)
hervor, insbesondere dessen Monument von Kö-
nig Peter I. in Krain.39 Und eben diesem Bild-
hauer wurde der Auftrag der Miklosich-Büs-
te für Laibach anvertraut. Das Denkmal wurde
Anfang September 1926 errichtet, der Vergleich
mit den Porträts Miklosichs zeigt, dass der Bild-
hauer höchstwahrscheinlich nach der Fotografie
der Wiener „k. k. Fotografin“ Rosa Jenik arbeite-
te, mit der sogar der Anzug des Gelehrten über-
einstimmt.40 Der Schriftsteller Fran Govekar,
der auch in Luttenburg anwesend war, fand
später das Monument „geschmacklos“, weil es
„als Überrest des ehemaligen kaiserlichen Denk-
mals noch immer Symbole des österreichischen
zweiköpfigen Adler“ trage.41 Und tatsächlich ist
das Antlitz mit dichtem Schnurrbart und bu-
schigen Augenbrauen auch visuell dem Franz-
Joseph-Porträt von Peruzzi (jetzt Stadtmuseum
Laibach) sehr nahe.42
Das Denkmal auf dem Laibacher König-
Peter-Platz war eine eher ungewöhnliche, wenn
nicht sogar politisch unkorrekte Anknüpfung an
die habsburgische Monarchie bzw. eine bewuss-
te Rückbesinnung und Würdigung des Univer-
sitätszentrums in Wien. Auch wenn in diesem
Fall ein slowenischer Künstler beauftragt wur-
de. Der Entscheidung, die Miklosich-Büste auf
EwigE PräsEnz dEr wissEnschaftlEr im öffEntlichEn raum 361
35 E. Dolenc, „The Generation at a Closed Door“. Slovenian Intellectual Issues Between the Two World Wars, in:
Slovene Studies, I–II, 2001, S. 19.
36 E. Dolenc, Kulturni boj. Slovenska kulturna politika v Kraljevini SHS. 1918–1929, Ljubljana 1996, S. 223–225.
37 T. Maisel, Gelehrte in Stein und Bronze, Wien/Köln/Weimar 2007, S. 58, Nr. 55; M. Fleming, Denkmal Franz von
Miklosich, https://monuments.univie.ac.at/index.php?title=Denkmal_Franz_von_Miklosich (abgerufen am 17. Juli
2015).
38 B. Kreft, Miklošičev spomenik in slovenski umetniki, in: Mladina, III/1, 1926, S. 24.
39 Kreft, Miklošičev spomenik (zit. Anm. 38), S. 24.
40 Vgl. https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Franc_Miklo%C5%A1i%C4%8D#/media/File:Rosa_Jenik_-_
Franc_Miklo%C5%A1i%C4%8D.jpg (abgerufen am 17. Juli 2015). In der Zeitung Slovenec (LIV/202, 5. September
1926, S. 5) wurde berichtet, dass Kos mehrere Gemälde und Fotografien studiert habe und sich auch das Denkmal
im Wiener Arkadenhof anschaute.
41 Platon (= Fr. Govekar): Napoleonov spomenik v Ljubljani, in: Slovenski narod, 21. Juni 1929, S. 2.
42 Vgl. Več glav … Iz kiparske zbirke Mestnega muzeja Ljubljana … več ve / Many Heads Are Better than One (hrsg. von
A. Pokrajac Iskra), S. 62, Abb. 18.
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Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Titel
- Der Arkadenhof der Universität Wien und die Tradition der Gelehrtenmemoria in Europa
- Herausgeber
- Ingeborg Schemper-Sparholz
- Martin Engel
- Andrea Mayr
- Julia Rüdiger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- WIEN · KÖLN · WEIMAR
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20147-2
- Abmessungen
- 18.5 x 26.0 cm
- Seiten
- 428
- Schlagwörter
- Scholars‘ monument, portrait sculpture, pantheon, hall of honour, university, Denkmal, Ehrenhalle, Memoria, Gelehrtenmemoria, Pantheon, Epitaph, Gelehrtenporträt, Büste, Historismus, Universität
- Kategorien
- Geschichte Chroniken