Seite - 20 - in Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
Bild der Seite - 20 -
Text der Seite - 20 -
Zur
Forschungslage20
rosi , aus Slowenien wie Marijan Zadnikar , der Tschechoslowakei wie Dobroslav
Libal und Polen wie Marian Kutzner konnten überraschende Übereinstimmun-
gen und gegenseitige Ergänzungen gewonnen werden.
Indes konnten durchaus nicht alle anstehenden Probleme über Zusammenhän-
ge stilistisch verbindlicher Formen der Ordensbaukunst oder durch die Zugehö-
rigkeit zu bestimmten Kunstlandschaften gelöst oder ausreichend erklärt werden.
Beispielsweise steht die balkengedeckte romanische Pfeilerbasilika von Wilhering
in deutlichem Gegensatz zu der mit durchlaufenden gotischen Travées gewölbten
Stiftskirche von Baumgartenberg , obwohl es sich in beiden Fällen um Kirchen
des gleichen Ordens – nämlich der Zisterzienser – handelt und sich beide Klöster
in der gleichen Kunstlandschaft – nämlich Oberösterreich – befinden ; überdies
sind beide Klosterkirchen fast zur gleichen Zeit begonnen und wiederum fast zur
gleichen Zeit vollendet worden. Am Bau von Baumgartenberg überrascht der Ge-
gensatz zwischen dem fortschrittlichen Gewölbesystem und den stilistisch retar-
dierten Detailformen am Hauptportal und an den Friesen am Außenbau. In Wil-
hering steht das stilkonservative Westportal der Stiftskirche im Gegensatz zu der
fortschrittlicher gestalteten , nur wenig jüngeren Portalgruppe vom ehemaligen
Kreuzgang in den Kapitelsaal. Obwohl Kremsmünster in der gleichen Kunstland-
schaft wie Baumgartenberg und Wilhering liegt und noch dazu dem angeblich
konservativ bauenden Benediktinerorden angehört , erweist sich die Stiftskirche
mit ihrer urkundlich gesicherten Erbauungszeit des 13. Jahrhunderts seit den Frei-
legungen ab 1970 keineswegs altertümlich oder stilkonservativ , sie erscheint in der
differenzierten Gruppierung dreier polygonaler Chorapsiden geradezu richtung-
weisend fortschrittlich. Auch außerhalb der Klosterbaukunst bestehen auffallende
Gegensätze , die nach einer Aufklärung verlangten. Die 1213 begonnene Pfarrkir-
che Bad Deutsch Altenburg ist eine einfache , flach gedeckte Pfeilerbasilika , deren
Portale und deren Rundbogenfriese noch eng an Vorbilder des 12. Jahrhunderts
anschließen. Fast zur gleichen Zeit wie diese Kirche wurde in derselben Kunst
landschaft , nämlich in der Umgebung Wiens , in Klosterneuburg , die Pfalzkapelle
Herzog Leopolds VI. – die Capella Speciosa – erbaut. Diese Kapelle ist jedoch von
der Kirche in Bad Deutsch Altenburg nur allzu verschieden , sie folgt in ihrer An-
lage und in allen Details dem Vorbild der Architektur in der Île-de-France , der
in jener Zeit fortschrittlichsten Kunstlandschaft Europas. Die Capella Speciosa
war nach den vorhandenen Zeugnissen ein extrem moderner Skelettbau mit ei-
nem bautechnisch äußerst anspruchsvollen Wand- und Gewölbeaufbau und einer
reichen bauplastischen Detailgestaltung von meisterhafter Ausführungsqualität.
Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Titel
- Die Baukunst des 13. Jahrhunderts in Österreich
- Autor
- Mario Schwarz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78866-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 498
- Schlagwörter
- Medieval architecture, Austrian art, Medieval art, Austrian architecture, Architectural history, 13th century architecture
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Kunst und Kultur