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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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48 michaEl Viktor schwarz tisteriums der erratische Einsatz des Zackenstils verstehen. Im Übrigen darf man der Stilwahl Erfolg bescheinigen. Jedenfalls gilt dies, wenn man es nicht nur auf das Thema und den Standort, sondern auch auf die Darstellungsweise zurückführt, dass Aspekte der Höllenlandschaft ein Nachleben in den verschiedenen Künsten hatten. Spekulativ wäre die Unterstellung, Dante hätte einen traditionell (nicht nur kleiner, sondern auch weniger agil und glaubwürdig) dargestellten Mosaik-Luzifer nicht beachtet, aber es bleibt eine Tatsache, dass ihn dieser Luzifer wie kaum eine andere bildkünstlerische Erfahrung fesselte. Zweitens läßt sich die Florentiner Hölle einer Phase mediterraner Bildkultur zuordnen, die durch eine Reihe exzeptioneller und doch auch ähnlicher Phäno- mene gekennzeichnet ist. Hingewiesen sei auf Nicola Pisanos Reliefs in Pisa und Siena: Wenige Jahre nach der als Mosaik ausgeführten Höllenszene trafen hier er- neut Zackenstilformen und byzantinisches Motivrepertoire zusammen und trugen zur Erneuerung der toskanischen Skulptur bei.51 Zu nennen sind auch bestimmte Miniaturen im 1259 geschriebenen Epistolar des Giovanni da Gaibana in der Pa- duaner Biblioteca Capitolare (Ms. E2): Die überaus hochrangigen Bilder belegen die Wirksamkeit von Formen der Makedonen-Renaissance in der Buchmalerei Oberitaliens.52 Trotz der Disparatheit besaßen diese in Italien geleisteten Bearbei- tungen östlicher Darstellungstechniken erhebliche Strahlkraft. Die Höllenszenerie des Baptisteriums möchte man aus einer (bislang noch wenig bedachten) ostmittel- meerischen Perspektive als im Exil abgehaltene Probenarbeit für die Kunst des nach 1264 wiederaufgelebten byzantinischen Staates verstehen („Paläologen-Renaissan- ce“)53. Aus transalpiner Perspektive darf man sagen: Es lag an der Virulenz byzan- tinisch geprägter Formen, dass die mitteleuropäische Malerei des fortgeschrittenen 13. Jahrhunderts einen ganz eigenen Weg im gotischen Europa ging. Der Zackenstil überlagerte die Muster und Modelle aus Westeuropa nicht nur, sondern schloss sie sektoral aus: Wo in der Architektur und Skulptur Opus francigenum den höchs- ten Anspruch markierte,54 war es auf dem Gebiet der Malerei der Zackenstil. Ein Ensemble, an dem sich das zeigt, ist der Naumburger Westchor mit seiner den französisch-gotischen Baugliedern und Statuen qualitativ ebenbürtigen Verglasung, 51 Antje Middeldorf-Kosegarten: Nicola Pisano, das „Wolfenbütteler Musterbuch“ und Byzanz. In: Münchner Jahrbuch der bildenden Kunst 39 (1988), S. 29–50. 52 I manoscritti miniati della Biblioteca Capitolare di Padova, hg. von Giordana Mariani Canova / Marta Minazzato / Federica Toniolo, Padua 2014, Bd. 1, S. 121–142. Fabio Luca Bossetto: Il Maestro del Gaibana: Un miniatore del Duecento fra Padova, Venezia e l’Europa. Mailand 2015. 53 Vgl. Otto Demus: Die Entstehung des Paläologenstils in der Malerei. In: Berichte zum XI. Internationalen Byzantinisten-Kongress, Bd. 4, 2, München 1958, S. 1–63, bes. S. 33‒41 und Helmut Trnek: Beobachtungen zum Wolfenbüttler Musterbuch: Beiträge zum Wandel von Renaissancebestrebungen im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts. Phil. Diss., Wien 1974, bes. S. 67–88. 54 Die Bedenken gegen die Verwendung von Opus francigenum als Stilbegriff sind bekannt. Wenn aber geltend gemacht wird, im Text der Quelle (Burkhard von Hall, Cronica eccle- siae Wimpinensis) bezeichne der Begriff eine Werktechnik, so ist dem entgegenzuhalten, dass die Grenze zwischen Technik und Stil gedanklich und sprachlich bis heute flie- ßend ist. Vgl. Jens Rüffer: Werkprozess – Wahrnehmung – Interpretation: Studien zur mittelalterlichen Gestaltungspraxis und zur Methodik ihrer Erschließung am Beispiel baugebundener Skulptur. Berlin 2014, S. 274 f.
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Titel
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Autor
Christine Beier
Herausgeber
Michaela Schuller-Juckes
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Abmessungen
18.5 x 27.8 cm
Seiten
290
Kategorien
Geschichte Chroniken
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