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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
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82 christinE JakoBi-mirwald ranken sowie den Oktopusblattmotiven und Rankenkletterern ausgestattet, die in freilich weit weniger hieratischer Ausführung typisch für den sogenannten Chan- nel Style in Nordfrankreich und England ab der Mitte des 12. Jahrhunderts sind. Hier wird also aktuelle Motivik aufgegriffen und nicht, wie möglicherweise bei den Bildvorlagen, auf Älteres rekurriert. Die ausgezirkelten Spiralranken in Gold und Silber, womöglich im gerahmten ganzseitigen Format, zielen aber auf eine wesent- lich höhere Ausstattungsebene als die Vorlagen. Die historisierten Initialen in Form von Bildeinschlüssen oder mit teilweise extrem in den Buchstaben verschlungenen Figuren (zum Beispiel auf fol. 24r die Darstellung der Versuchung Christi, wo eine blaue Teufelsgestalt mit den beiden senkrechten Leisten einer gegenständlich aufge- fassten Randleisten-Initiale D förmlich zu ringen scheint) zeigen teilweise ebenfalls Channel Style-Elemente. Gleich, ob durch die Auseinandersetzung mit dem Buch- staben oder in Gestik und Mimik bei bildausschnittartigen Szenen: Vordergründig ist die spannungsgeladene Ausdruckskraft bei Initialen wie Miniaturen. Unter dieser Voraussetzung ist Vorsicht bei der Bewertung der „fehlerhaften“ Raumdarstellung geboten, etwa im Pfingstbild auf fol. 4v.38 Wie dieses Spiel mit den Ebenen zu bewerten ist, wird am ehesten im Vergleich mit den Initialen deutlich, etwa der beschriebenen Initiale mit der Versuchung Christi, der Überschneidung des als Lebensbaum gekennzeichneten Kreuzes (ähnlich auch in der Niello-Orna- mentik des Kanonbilds auf fol. 10v) mit der Initiale in der Kreuzigungsinitiale zu Heiligabend auf fol. 38r, dem als D-Schaft gebildeten Teufel im Selbstmord des Judas auf fol. 40r, dem Martyrium des Andreas auf fol. 131r, dessen Schergen sich um die Schäfte wickeln, sowie vor allem den stark tordierten Rankenkletterern in den hochvirtuosen Spiralrankeninitialen und gelegentlich auch am Rand der historisierten Initialen, etwa auf fol. 20r zu Epiphanias oder fol. 126r zu Martini. Auch der Gebrauch der Architekturversatzstücke in den Miniaturen, so irritierend er auf einen modernen Betrachter wirken mag, dürfte in entsprechender Weise dem Streben nach größtmöglichem Ausdruck geschuldet sein. Im Übrigen ist das freie Experimentieren mit Rahmen und Figuren seit den frühesten Beispielen kenn- zeichnend für die historisierte Initiale.39 Zur Ikonographie sei hier nur kurz die Analyse von Sauer resümiert. Da das Ausstattungsprogramm ganz offensichtlich speziell auf die Bedürfnisse des Wein- gartener Konvents und seiner Sakraltopographie zugeschnitten war und auch in einzelnen Illustrationen von eingehender liturgischer und theologischer Kenntnis zeugt,40 ist davon auszugehen, dass das Programm von einem „gebildeten Mitglied 38 Schon Sauer ist in ihrer Beschreibung freilich sehr vorsichtig und hebt die Expression und Spannung dieses freien Umgangs mit der Räumlichkeit hervor, siehe Sauer in: Das Berthold-Sakramentar 2013–2014 (zit. Anm. 10), Bd. 2, S. 97–98. 39 Christine Jakobi-Mirwald: Text – Buchstabe – Bild. Zur Entstehung der historisierten Initiale. Dissertation, Kassel 1997, Berlin 1998, vor allem S. 33 ff., 108 ff. 40 In diesem Zusammenhang vgl. besonders die Initiale zum Ordo der Kerzenweihe in der Osternacht auf fol. 80r: Dargestellt ist ein Abt in Chormantel mit Manipel und Hirtenstab, der aus einem ihm vorgehaltenen Buch vorliest. Felix Heinzer wies nach, dass hier eine wörtliche Illustration eines Weingartener Liber Ordinarius vorliegt, der in einer späteren Abschrift erhalten ist (Fulda, Hochschul- und Landesbibliothek, Aa 72). Dazu Heinzer: Das Messbuch des Abts? Das Berthold-Sakramentar als liturgisches Buch. In: Rudolf, Ein Buch von Gold und Silber (zit. Anm. 1), S. 111–118; Sauer in: Das Berthold Sakramentar 2013–2014 (zit. Anm. 10), Bd. 2, S. 6–58.
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Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Titel
Europäische Bild- und Buchkultur im 13. Jahrhundert
Autor
Christine Beier
Herausgeber
Michaela Schuller-Juckes
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21193-8
Abmessungen
18.5 x 27.8 cm
Seiten
290
Kategorien
Geschichte Chroniken
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