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Bildungs- und Berufsberatung in der
Migrationsgesellschaft90
Die vielfach beschriebene »Normalisierung« von Beratung hat dazu bei-
getragen, dass der Besuch einer Beratungsstelle für viele Menschen eine
realistische Handlungsoption bei Entscheidungsschwierigkeiten darstellt.
Sickendiek (2013) weist jedoch darauf hin, dass diese Entwicklung nicht für
alle Menschen gleichermaßen zutreffend ist. Dabei muss sich diese Feststel-
lung nicht zwangsläufig auf unterschiedliche Nationalitäten beziehen, son-
dern umfasst alle Personengruppen, für welche der Besuch einer Beratungs-
stelle mit oftmals implizit vorhandenen Hindernissen verbunden ist und
»die Vorstellung, mit einer persönlichen Schwierigkeit sich zu einem ver-
abredeten Termin zu einer fremden Person in einem büroähnlichen Setting
zu begeben [...] eher absurd erscheinen [mag]« (ebd., S. 1430). Ein wichtiger
Verdienst von Diversitätskonzepten ist vor allem darin zu sehen, eine kri-
tische Perspektive auf die institutionellen Rahmenbedingungen von Bera-
tung und die damit verbundenen Normalitätsvorstellungen zu ermöglichen.
Die damit verbundenen Erkenntnisse haben zur Entwicklung spezifischer
Beratungskonzepte für den Migrationsbereich geführt (vgl. u.a. Mecheril
2014; Gaitanides 2014; Pavkovic 2014; Wagner 2014; Kupfer 2016). Vereinzelt
existieren auch spezielle Ansätze für den Bereich der Bildungs- und Berufs-
beratung im Migrationskontext, welche auf die besondere rechtliche und
sozialstrukturelle Situation von Migrant_innen und die damit verbundenen
Zugangsbarrieren abgestimmt sind (vgl. z.B. Schmidt und Tippelt 2006). Si-
ckendiek (vgl. 2013, S. 1433) verweist im Kontext des Diversity-Ansatzes auf
die Forderung nach multikulturellen Beratungskompetenzen, welche vor
allem die Offenheit gegenüber alternativen Einstellungen und Haltungen,
kulturspezifisches Fachwissen, Selbstreflexivität in Bezug auf die eigene
Standortgebundenheit sowie entsprechende methodische und konzeptio-
nelle Kompetenzen beinhalten.
Insbesondere mit dem Begriff der »interkulturellen Kompetenz« geht
jedoch auch ein kritischer Diskurs einher, welcher auf die damit verbunde-
nen Tendenzen zur Kulturalisierung und Individualisierung strukturell be-
dingter Problemkonstellationen hinweist. Stattdessen wird die offene und
akzeptierende Beratungshaltung als eine übergreifende Kompetenz für je-
des Beratungsgespräch hervorgehoben (vgl. ebd., S. 1434). Kalpaka (2009b,
S. 387) beschreibt die damit verbundenen Herausforderungen als »Kultur-
alisierungsfalle pädagogischer Professionalität«. Kulturelle Zuschreibungen
werden demnach als simplifizierendes und dominierendes Erklärungsmo-
dell verwendet und strukturelle Bedingungen als Einflussfaktoren ausge-
Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Titel
- Bildungs- und Berufsberatung in der Migrationsgesellschaft
- Untertitel
- Pädagogische Perspektiven auf Beratung zur Anerkennung im Ausland erworbener Qualifikationen
- Autor
- Birgit Schmidtke
- Verlag
- transcript Verlag
- Ort
- Bielefeld
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-4485-6
- Abmessungen
- 14.8 x 22.5 cm
- Seiten
- 252
- Schlagwörter
- Qualifikation, Integration, Bildungsberatung, Berufsberatung, Bildung, Bildungsforschung, Bildungssoziologie, Bildungstheorie, Pädagogik
- Kategorie
- Recht und Politik