Seite - 56 - in WAS BITS UND BÄUME VERBINDET - Digitalisierung nachhaltig gestalten
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koordinieren, müssen Daten über die Erzeugung von
erneuerbarem Strom, über seinen Transport, seine
Speicherung, den Strombedarf und insbesondere
auch die Sektorenkopplung schnell erfasst und ver-
arbeitet werden. Mithilfe von Wetterdaten kann zu-
dem die Erzeugungsleistung erneuerbarer Energien
besser vorhergesagt werden. Auf dem Strommarkt
wird zunächst virtuell gehandelt. Damit diesem vir-
tuellen Handel tatsächliche Stromlieferungen ent-
sprechen, ist ein funktionierendes Zusammenspiel
von Netz und Markt mittels digitaler Technologien
erforderlich.
Durch eine digitale Steuerung des komplexen Zu-
sammenspiels von Netzen, Speichern, flexibler Er-
zeugung und flexiblem Verbrauch, von Märkten und
der Sektorenkopplung können die Emissionen bis
2050 auf netto null gesenkt werden, und das System
kann gleichzeitig effizient und stabil funktionie-
ren.4, 5 Im Mobilitätssektor ist die Vernetzung von
öffentlichen Bussen und Bahnen mit elektrischer
oder brennstoffzellenbasierter Sharing-Automobili-
tät sowie mit Sharing-Fahr- und -Lastenrädern ein
weiteres Beispiel für die
Chancen der Digitalisie-
rung im Klimaschutz.
DIE RISIKEN:
CYBERKRIEG UND
ÜBERWACHUNG
Doch die Digitalisierung
des Energiesystems hat
auch ihre Schattenseiten.
So werden zum Beispiel
vernetzte Energiesysteme
durch das Bundesamt für
Sicherheit in der Informa-
tionstechnik6 als kritische
Infrastruktur eingestuft. Auf sie abzielende Angrif-
fe können im Extremfall zu großflächigen Ausfällen
der Energieversorgung führen. Sie sind sowohl dem
Risiko von Angriffen aus zwischen staatlichen Kon-
flikten – den sogenannten Cyber wars7 – als auch
Hacker angriffen aus gesetzt, die terroristisch, wirt-
schaftlich oder anderweitig motiviert sein können.
Vernetzung und Komplexität erhöhen die Anfällig-
keit des Energiesystems, da sich Ausfälle schnell und
unkontrollierbar in den Netzen ausbreiten können.
Die präzise Steuerung der Energiesysteme erfor-
dert genaue Informationen über Stromerzeugung
und -bedarf und deren zeitliche und räumliche Ver- teilung. Intelligente Stromzähler messen den Strom-
verbrauch im Zeitverlauf auch in Haushalten. Dies
lässt beispielsweise Rückschlüsse auf die Nutzungs-
muster einzelner Stromverbraucher*innen und damit
auf Anwesenheit und Tagesablauf von Personen zu.8
Gesetzlich ist eine Datenübertragung alle 15 Mi-
nuten vorgesehen. Dies kann bereits ausreichen, um
den Tagesablauf im Haushalt zu rekonstruieren.9 Da-
tengetriebene Geschäftsmodelle, bei denen zum Bei-
spiel die Energieversorger die anfallenden Daten für
die Weiterentwicklung ihrer Dienstleistungen oder
zu Werbezwecken nutzen, führen zu zusätzlichen
Risiken für die Privatsphäre – umso mehr, wenn die
Daten in der Cloud verarbeitet werden und damit der
Kontrolle der Nutzer*innen entzogen sind.
DEN GESAMTEN LEBENSZYKLUS
NACHHALTIG GESTALTEN
Für vernetzte Energiesysteme muss eine ausreichende
IT-Infrastruktur aufgebaut werden. Aus Nachhaltig-
keitsperspektive müssen wir unter anderem den
Stromverbrauch des digitalen Energiesystems ganz-
heitlich betrachten: Die Computer müssen energie-
effizient betrieben werden (‹Green IT› 10). Die Digi-
talisierung kann durch sogenannte Rebound- oder
gar Backfireeffekte unter dem Strich sogar zu mehr
Stromverbrauch führen.11
Aus dem gesamten Lebenszyklus der verwende-
ten Rechner und der ihnen zugrunde liegenden Res-
sourcen – von der Produktion bis zur Entsorgung –
ergeben sich weitere Risiken für die Nachhaltigkeit
(siehe hier auch Kapitel 1). Das Gleiche gilt für die
Energiespeicher.
Durch Netzwerkeffekte tendiert Digitalisierung
generell zur Monopolbildung:12 Diejenigen Anbieter
mit besonders vielen Daten können am Markt die
attraktivsten Angebote gestalten. Bei der Digitali-
sierung der Energieversorgung müssen deshalb
Monopole und Machtkonzentrationen unbedingt
vermieden oder zerschlagen werden, damit Groß-
konzerne nicht auf Kosten der Nutzer*innen profi-
tieren und ihr politischer Einfluss noch größer wird.
Zu klären ist zudem, welche Effekte die Digitali-
sierung der Energiemärkte und -netze auf die Arbeits-
plätze haben wird und wer die Kosten der Infrastruktur
trägt. Wohlhabende Nutzer*innen mit eigenen Strom-
quellen sollten sich der solidarischen Finanzierung
der Energienetze nicht entziehen dürfen. Die Infra-
struktur zur Versorgung aller Menschen mit Strom
sollte auch von allen Menschen finanziert werden.
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Die präzise
Steuerung
der Energiesysteme
erfordert genaue
Informationen
über Stromerzeugung
und -bedarf und
deren zeitliche
und räumliche
Verteilung.
///</quote>
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WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Titel
- WAS BITS UND BÄUME VERBINDET
- Untertitel
- Digitalisierung nachhaltig gestalten
- Autor
- Anja Höfner
- Herausgeber
- Vivian Frick
- Verlag
- oekom verlag
- Ort
- München
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-SA 3.0
- ISBN
- 978-3-96238-149-3
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 152
- Schlagwörter
- Digitalisierung, Entwicklungszusammenarbeit, Politik, Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeitskommunikation
- Kategorien
- Informatik
- Technik