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Digitalisierte Beratung zur effizienteren Selbstoptimierung 113
selbst nicht aufzufallen. In Klingovskys Kritik an dieser Form des lebenslangen
Lernens wird das deutlicher (Klingovsky, 2017, S. 39):
»Die Steuerungslogik des Lebenslangen Lernens lässt sich mithin genauer
bestimmen als das, was Foucault ›Technologien des Selbst‹ genannt hat: als
Anleitungen, die es den Individuen ermöglichen, eine Reihe von Operatio-
nen an ihrem Denken, Handeln und ihrer Existenzweise vorzunehmen, um
damit sich selbst und ihr eigenes Lernen umzugestalten. Sie dienen vor allem
dazu, sich selbst, jederzeit flexibel, eigenaktiv und selbstverantwortlich, als
individuelles Subjekt zu entwerfen. Die bildungspolitische Programmatik
betont zwar die Autonomie und Selbstbestimmung der lernenden Subjekte.
Aber so frei, wie darin unterstellt, sind sie letztlich gar nicht. Sie sind viel-
mehr aufgefordert, sich zu verändern, und auf welche Weise sie sich ver-
ändern sollen, geben die Technologien des Selbst vor. So kann dann […] eine
unabschließbare Dynamik der Selbstoptimierung in Gang gesetzt werden.«
Ähnlich kritisierten übrigens bereits Sozialarbeiter*innen in den 1950er Jahren
Supervisionskonzepte eben wegen dieser Unabschließbarkeit und des chronifi-
zierenden Verharrens in Ausbildungsrollen (Kelley, 1959).
Beratung kann also zumindest in Teilen der gegenwärtigen Praxis Form
gouvernementaler Regierung sein: Nicht mehr humanistisch geprägte Werte
und Ziele wie Reflexion, Anerkennung des Gegenübers und Selbsterkenntnis
stehen im Vordergrund (Gröning, 2016), sondern die ökonomische Nutzbar-
machung und die fortwährende Optimierung des unternehmerischen Selbsts
(Bröckling, 2007; Schaupp, 2016) sowie des Beratungsprozesses. Die Digitalisie-
rung ermöglicht es dabei, immer gezielter unsere Aufmerksamkeit zu gewinnen
(Crawford, 2016) und durch mühelose Skalierung die Reichweite, Wirksamkeit
und auch Abhängigkeit – ob für Macht- oder für wirtschaftliche Interessen –
deutlich zu erhöhen.
Als Frage wird deutlich: Versteht sich Beratung als ubiquitäres (Selbst-)
Optimierungsinstrument oder im Foucault’schen Sinne als Kunst, sich nicht der-
artig regieren zu lassen?
Eine Anfrage an das Verständnis arbeitsbezogener Beratung
Computervermittelte Beratung eröffnet neue Zugänge und Möglichkeiten, für
die es Anwendungsmöglichkeiten gibt. Deutlich wird jedoch, dass die »Digitali-
sierung« von Beratung auch die Frage nach dem Grundverständnis und der Ethik
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
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Coaching im digitalen Wandel
- Titel
- Coaching im digitalen Wandel
- Herausgeber
- Robert Wegener
- Silvano Ackermann
- Jeremias Amstutz
- Silvia Deplazes
- Hansjörg Künzli
- Annamarie Ryter
- Verlag
- Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch, englisch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-40742-0
- Abmessungen
- 15.5 x 23.2 cm
- Seiten
- 166
- Kategorie
- Technik