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28 | Ständestaat und Rotes Wien
wurden durchgehend abgelehnt.64 Ein städtischer Geschosswohnungsbau mit großzügiger,
parkähnlicher Hofverbauung wurde in den bereits bestehenden Rahmen des historisch
gewachsenen Stadtgefüges eingeführt. Somit setzte die Sozialdemokratie auf Akzente der
Stadtveränderung bürgerlicher Bezirke, also die konsequente Umgestaltung der Wohn-
viertel durch Einfügen neuartiger Architektur.65 Die praktizierte Hofverbauung wurde als
Teil der Stadtplanung begriffen. Als raumbildendes Element wurde sie an den bereits
bestehenden Straßenraum angegliedert und fungierte als grüne Oase der Arbeiterschaft.
Diese Auflockerung des eng mit Bürgerhäusern bebauten Wiens wurde insgesamt als
Stadtverbesserung innerhalb einer bereits bestehenden Bauordnung wahrgenommen.66
Damit setzte die Gemeinde ab 1924 auf die wirtschaftliche und bautechnische Lösung,
kleine Wohnungen in Hofverbauung zu errichten, die durch gemeinschaftliche Einrich-
tungen wie Wäschereien, Kindergärten, Grünanlagen und Büchereien ergänzt wurden.
Die rationelle Überlegung, das Wohnbauprogramm so forcierter durchführen zu können,
begünstigte in weiterer Folge eine Verlegung des Alltags der GemeindebaubewohnerInnen
in die Höfe und ein Zusammentreffen in den Gemeinschaftseinrichtungen. Gemäß der
Theorie des Austromarxismus sollte so einer Emanzipation der GemeindebaumieterInnen
zu Gemeinschaftsmenschen Vorschub geleistet werden.67
1.2.2.2 Die roten Höfe
Die SozialdemokratInnen gingen aus der ersten Gemeinderatswahl68 vom 4. Mai 1919 als
Sieger mit der absoluten Mehrheit hervor. Jakob Reumann69 wurde erster sozialdemokra-
tischer Bürgermeister und die Sozialdemokratische Arbeiterpartei übernahm die Stadtver-
waltung von 1919 bis 1923. Eine 1920 durchgeführte Verwaltungsreform des provisorischen
Gemeinderates demokratisierte die bisher patriarchalisch durchgeführte Stadtregierung
und relativierte damit die Stellung des Bürgermeisters. Der demokratische Wiener Stadt-
rat bestand aus bezahlten, amtsführenden Stadträten, die jeweils eine Magistratsabteilung
sogenannte Trabantenstadt im kommunalen Bauprogramm in Frankfurt am Main umgesetzt, vgl.: Eric Mumford, The
CIAM Discourse on Urbanism, 1928–1960, Cambridge, Massachusetts, 2000, S. 29.
64 Zimmerl, Kübeldörfer, 2002, S. 112.
65 Karl Mang, Architektur und Raum – Gedanken zum Wohnbau im Roten Wien, in: Historisches Museum der Stadt Wien
(Hg.), Das Rote Wien, 1993, S. 44 f.
66 Ebd., S. 50–52.
67 Frei, Graswurzel, 1991, S. 194.
68 Am 12. März 1919 wurde vom provisorischen Gemeinderat eine neue Wahlordnung für Wien beschlossen. Diese orien-
tierte sich am Verhältniswahlrecht der Nationalversammlung. Alle österreichischen Staatsbürger, die ihren Wohnsitz
in Wien hatten, unabhängig vom Geschlecht, durften ab dem 20. Lebensjahr an allgemeinen, gleichen und direkten
Wahlen teilnehmen, vgl.: Maren Seliger, Karl Ucakar, Wahlrecht und Wählerverhalten in Wien 1848–1932 – Privilegien,
Partizipationsdruck und Sozialstruktur, Wien, 1984, S. 63.
69 1888/89 wurde Reumann am Hainfelder Parteitag Sekretär der neugegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
Österreichs. 1918 übernahm er den Vorsitz des provisorischen Gemeinderates von Wien und wurde am 21. Mai 1919
erster sozialdemokratischer Bürgermeister der Hauptstadt. Am 13. November 1923 trat er zurück und war bis zu sei-
nem Tod 1925 Vorsitzender des Bundesrates.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918