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32 | Ständestaat und Rotes Wien
Schaffung von Trabantenstädten nach dem Muster Frankfurts am Main als neue proleta-
rische Zentren obsolet.82
Die forcierte Hofverbauung der SozialdemokratInnen unterlag nicht nur international
und national, sondern auch innerhalb der eigenen Partei einer gezielten Kritik von Sied-
lungs- und GartenstadtbefürworterInnen. Diese wirkten innerhalb des im September 1926
in Wien stattfindenden Wohnungs- und Städtebaukongresses83 des Internationalen Verbandes
für Städtebau, Landschaftsplanung und Gartenstädte, auf die parteieigene Wohnungsbaupo-
litik ein. Die internationale Kritik am kommunalen Hofverbauungsprogramm wurde von
der Gemeinde mit der Zusage, den Flachbau weiter auszubauen, quittiert. Trotzdem
bestanden unter den SozialdemokratInnen weiterhin ideologische Vorbehalte gegen die
als großstadtfeindlich und bürgerlich verortete Gartenstadtideologie.84
Infolge der Kritik wurde ab 1927 der gemeindeeigene und genossenschaftliche Sied-
lungsbau ausgeweitet. Dies ging mit einer Zentralisierung des Baus von Siedlungen in den
Händen der Gemeinwirtschaftlichen Siedlungs- und Baustoffanstalt einher. Die Planungshoheit
oblag dem Wiener Stadtbauamt zusammen mit dem Siedlungsamt der Stadt Wien.85
Mit den Gemeindebauprogrammen konnten bis 1934 rund 64.000 Wohnungen für ca.
220.000 BewohnerInnen geschaffen werden. Dies stellt rund 70 % der städtischen Wohn-
bauleistung der Zwischenkriegszeit dar. Die Genossenschaften erstellten im Vergleich
dazu mit 7.000 Siedlungshäusern rund 11 %.86
1 2 4 Formen und Ausgestaltung der Hofverbauung
1.2.4.1 Die neuen Wohnungstypen
Die Zinshäuser und -wohnungen der Jahrhundertwende und des beginnenden 19. Jahr-
hunderts waren auf Repräsentation hin ausgerichtet. Selbst kleinste Räume wurden von
einer übergroßen zweiflügeligen Tür beherrscht.87 Deren repräsentative Anordnung und
die standardisierte Beleuchtung kleinster Räume durch zwei Fenster, die von außen die
Fassade der Gebäude gliederten, ließen Platzprobleme bei der Ausnutzung der Wohnflä-
che entstehen.88
Die in den 1920er Jahren international beginnende Taylorisierung des Wohnungsbaus89
und die vollständige Durchrationalisierung der Wohnung nach Gesichtspunkten der effi-
82 Blau, Red Vienna, 1998, S. 167.
83 Der Kongress wurde vom Gründer des Gartenstadtgedankens, Ebenezer Howard, geleitet.
84 Hoffmann, Hack’ und Spaten, 1987, S. 126–128.
85 Zimmerl, Kübeldörfer, 2002, S. 113 f.
86 Ebd., S. 108.
87 Karl Maria Grimme, Die Mietwohnung von heute – Wie richte ich sie ein?, Wien – Leipzig, 1932, S. 6.
88 Ebd., S. 11–15.
89 Eine wirtschaftliche Reorganisation des Baugewerbes durch arbeitssparende Techniken vom Beginn des 20. Jahrhun-
derts, die sich ab den 1920er Jahren vor allem auf die Rationalisierung der Wohnungsgrundrisse auswirkte.
Open Access © 2017 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien Köln Weimar
Das Schwarze Wien
Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Titel
- Das Schwarze Wien
- Untertitel
- Bautätigkeit im Ständestaat 1934–1938
- Autor
- Andreas Suttner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien - Köln - Weimar
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20292-9
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 296
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918