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Beschäftigung mit Verteidigungsvorbereitungen bringt es mit sich, daß meine
Ansichten hinsichtlich der Ausnutzung des Baus für solche Zwecke sich
ändern oder entwickeln, in kleinem Rahmen allerdings. Es scheint mir dann
manchmal gefährlich, die Verteidigung ganz auf dem Burgplatz zu basieren,
die Mannigfaltigkeit des Baus gibt mir doch auch mannigfaltigere
Möglichkeiten und es scheint mir der Vorsicht entsprechender, die Vorräte ein
wenig zu verteilen und auch manche kleine Plätze mit ihnen zu versorgen,
dann bestimme ich etwa jeden dritten Platz zum Reservevorratsplatz oder
jeden vierten Platz zu einem Haupt- und jeden zweiten zu einem
Nebenvorratsplatz und dergleichen. Oder ich schalte manche Wege zu
Täuschungszwecken überhaupt aus der Behäufung mit Vorräten aus oder ich
wähle ganz sprunghaft, je nach ihrer Lage zum Hauptausgang, nur wenige
Plätze. Jeder solche neue Plan verlangt allerdings schwere Lastträgerarbeit,
ich muß die neue Berechnung vornehmen und trage dann die Lasten hin und
her. Freilich kann ich das in Ruhe ohne Übereilung machen und es ist nicht
gar so schlimm, die guten Dinge im Maule zu tragen, sich auszuruhen, wo
man will und, was einem gerade schmeckt, zu naschen. Schlimmer ist es,
wenn es mir manchmal, gewöhnlich beim Aufschrecken aus dem Schlafe,
scheint, daß die gegenwärtige Aufteilung ganz und gar verfehlt ist, große
Gefahren herbeiführen kann und sofort eiligst ohne Rücksicht auf
Schläfrigkeit und Müdigkeit richtiggestellt werden muß; dann eile ich, dann
fliege ich, dann habe ich keine Zeit zu Berechnungen; der ich gerade einen
neuen, ganz genauen Plan ausführen will, fasse willkürlich, was mir unter die
Zähne kommt, schleppe, trage, seufze, stöhne, stolpere und nur irgendeine
beliebige Veränderung des gegenwärtigen, mir so übergefährlich scheinenden
Zustandes will mir schon genügen. Bis allmählich mit völligem Erwachen die
Ernüchterung kommt, ich die Übereilung kaum verstehe, tief den Frieden
meines Hauses einatme, den ich selbst gestört habe, zu meinem Schlafplatz
zurückkehre, in neugewonnener Müdigkeit sofort einschlafe und beim
Erwachen als unwiderleglichen Beweis der schon fast traumhaft
erscheinenden Nachtarbeit etwa noch eine Ratte an den Zähnen hängen habe.
Dann gibt es wieder Zeiten, wo mir die Vereinigung aller Vorräte auf einen
Platz das Allerbeste scheint. Was können mir die Vorräte auf den kleinen
Plätzen helfen, wieviel läßt sich denn dort überhaupt unterbringen, und was
immer man auch hinbringt, es verstellt den Weg und wird mich vielleicht
einmal bei der Verteidigung, beim Laufen eher hindern. Außerdem ist es zwar
dumm aber wahr, daß das Selbstbewußtsein darunter leidet, wenn man nicht
alle Vorräte beisammen sieht und so mit einem einzigen Blicke weiß, was
man besitzt. Kann nicht auch bei diesen vielen Verteilungen vieles verloren
gehen? Ich kann nicht immerfort durch meine Kreuz- und Quergänge
galoppieren, um zu sehen, ob alles in richtigem Stande ist. Der Grundgedanke
einer Verteilung der Vorräte ist ja richtig, aber eigentlich nur dann, wenn man
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Buch Der Bau"
Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik