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mehrere Plätze von der Art meines Burgplatzes hat. Mehrere solche Plätze!
Freilich! Aber wer kann das schaffen? Auch sind sie im Gesamtplan meines
Baus jetzt nachträglich nicht mehr unterzubringen. Zugeben aber will ich, daß
darin ein Fehler des Baus liegt, wie überhaupt dort immer ein Fehler ist, wo
man von irgend etwas nur ein Exemplar besitzt. Und ich gestehe auch ein, daß
in mir während des ganzen Baues dunkel im Bewußtsein, aber deutlich genug,
wenn ich den guten Willen gehabt hätte, die Forderung nach mehreren
Burgplätzen lebte, ich habe ihr nicht nachgegeben, ich fühlte mich zu
schwach für die ungeheure Arbeit; ja, ich fühlte mich zu schwach, mir die
Notwendigkeit der Arbeit zu vergegenwärtigen, irgendwie tröstete ich mich
mit Gefühlen von nicht minderer Dunkelheit, nach denen das, was sonst nicht
hinreichen würde, in meinem Fall einmal ausnahmsweise, gnadenweise,
wahrscheinlich, weil der Vorsehung an der Erhaltung meiner Stirn, des
Stampfhammers, besonders gelegen ist, hinreichen werde. Nun so habe ich
nur einen Burgplatz, aber die dunklen Gefühle, daß der eine diesmal nicht
hinreichen werde, haben sich verloren. Wie es auch sei, ich muß mich mit
dem einen begnügen, die kleinen Plätze können ihn unmöglich ersetzen und
so fange ich dann, wenn diese Anschauung in mir gereift ist, wieder an, alles
aus den kleinen Plätzen zum Burgplatz zurückzuschleppen. Für einige Zeit ist
es mir dann ein gewisser Trost, alle Plätze und Gänge frei zu haben, zu sehen,
wie auf dem Burgplatz sich die Mengen des Fleisches häufen und weithin bis
in die äußersten Gänge die Mischung der vielen Gerüche senden, von denen
jeder in seiner Art mich entzückt und die ich aus der Ferne genau zu sondern
imstande bin. Dann pflegen besonders friedliche Zeiten zu kommen, in denen
ich meine Schlafplätze langsam, allmählich von den äußeren Kreisen nach
innen verlege, immer tiefer in die Gerüche tauche, bis ich es nicht mehr
ertrage und eines Nachts auf den Burgplatz stürze, mächtig unter den Vorräten
aufräume und bis zur vollständigen Selbstbetäubung mit dem Besten, was ich
liebe, mich fülle. Glückliche, aber gefährliche Zeiten; wer sie auszunützen
verstünde, könnte mich leicht, ohne sich zu gefährden, vernichten. Auch hier
wirkt das Fehlen eines zweiten oder dritten Burgplatzes schädigend mit, die
große einmalige Gesamtanhäufung ist es, die mich verführt. Ich suche mich
verschiedentlich dagegen zu schützen, die Verteilung auf die kleinen Plätze ist
ja auch eine derartige Maßnahme, leider führt sie wie andere ähnliche
Maßnahmen durch Entbehrung zu noch größerer Gier, die dann mit
Überrennung des Verstandes die Verteidigungspläne zu ihren Zwecken
willkürlich ändert.
Nach solchen Zeiten pflege ich, um mich zu sammeln, den Bau zu
revidieren und, nachdem die nötigen Ausbesserungen vorgenommen sind, ihn
öfters, wenn auch immer nur für kurze Zeit zu verlassen. Die Strafe, ihn lange
zu entbehren, scheint mir selbst dann zu hart, aber die Notwendigkeit
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Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik