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zeitweiliger Ausflüge sehe ich ein. Es hat immer eine gewisse Feierlichkeit,
wenn ich mich dem Ausgang nähere. In den Zeiten des häuslichen Lebens
weiche ich ihm aus, vermeide sogar den Gang, der zu ihm führt, in seinen
letzten Ausläufern zu begehen; es ist auch gar nicht leicht, dort
herumzuwandern, denn ich habe dort ein volles kleines Zickzackwerk von
Gängen angelegt; dort fing mein Bau an, ich durfte damals noch nicht hoffen,
ihn je so beenden zu können, wie er in meinem Plane dastand, ich begann
halb spielerisch an diesem Eckchen und so tobte sich dort die erste
Arbeitsfreude in einem Labyrinthbau aus, der mir damals die Krone aller
Bauten schien, den ich aber heute wahrscheinlich richtiger als allzu
kleinliche, des Gesamtbaues nicht recht würdige Bastelei beurteile, die zwar
theoretisch vielleicht köstlich ist – hier ist der Eingang zu meinem Haus, sagte
ich damals ironisch zu den unsichtbaren Feinden und sah sie schon sämtlich
in dem Eingangslabyrinth ersticken –, in Wirklichkeit aber eine viel zu
dünnwandige Spielerei darstellt, die einem ernsten Angriff oder einem
verzweifelt um sein Leben kämpfenden Feind kaum widerstehen wird. Soll
ich diesen Teil deshalb umbauen? Ich zögere die Entscheidung hinaus und es
wird wohl schon so bleiben wie es ist. Abgesehen von der großen Arbeit, die
ich mir damit zumuten würde, wäre es auch die gefährlichste, die man sich
denken kann. Damals, als ich den Bau begann, konnte ich dort
verhältnismäßig ruhig arbeiten, das Risiko war nicht viel größer als irgendwo
sonst, heute aber hieße es fast mutwillig auf den ganzen Bau aufmerksam
machen wollen, heute ist es nicht mehr möglich. Es freut mich fast, eine
gewisse Empfindsamkeit für dieses Erstlingswerk ist ja auch vorhanden. Und
wenn ein großer Angriff kommen sollte, welcher Grundriß des Eingangs
könnte mich retten? Der Eingang kann täuschen, ablenken, den Angreifer
quälen, das tut auch dieser zur Not. Aber einem wirklich großen Angriff muß
ich gleich mit allen Mitteln des Gesamtbaues und mit allen Kräften des
Körpers und der Seele zu begegnen suchen – das ist ja selbstverständlich. So
mag auch dieser Eingang schon bleiben. Der Bau hat so viele von der Natur
ihm aufgezwungene Schwächen, mag er auch noch diesen von meinen
Händen geschaffenen und wenn auch erst nachträglich, so doch genau
erkannten Mangel behalten. Mit all dem ist freilich nicht gesagt, daß mich
dieser Fehler nicht von Zeit zu Zeit oder vielleicht immer doch beunruhigt.
Wenn ich bei meinen gewöhnlichen Spaziergängen diesem Teil des Baues
ausweiche, so geschieht das hauptsächlich deshalb, weil mir sein Anblick
unangenehm ist, weil ich nicht immer einen Mangel des Baues in
Augenschein nehmen will, wenn dieser Mangel schon in meinem Bewußtsein
mir allzusehr rumort. Mag der Fehler dort oben am Eingang unausrottbar
bestehen, ich aber mag, so lange es sich vermeiden läßt, von seinem Anblick
verschont bleiben. Gehe ich nur in der Richtung zum Ausgang, sei ich auch
noch durch Gänge und Plätze von ihm getrennt, glaube ich schon in die
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Buch Der Bau"
Der Bau
- Titel
- Der Bau
- Autor
- Franz Kafka
- Datum
- 1931
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 21.0 x 29.7 cm
- Seiten
- 29
- Kategorien
- Weiteres Belletristik