Page - 8 - in Der Bau
Image of the Page - 8 -
Text of the Page - 8 -
zeitweiliger AusflĂŒge sehe ich ein. Es hat immer eine gewisse Feierlichkeit,
wenn ich mich dem Ausgang nÀhere. In den Zeiten des hÀuslichen Lebens
weiche ich ihm aus, vermeide sogar den Gang, der zu ihm fĂŒhrt, in seinen
letzten AuslÀufern zu begehen; es ist auch gar nicht leicht, dort
herumzuwandern, denn ich habe dort ein volles kleines Zickzackwerk von
GĂ€ngen angelegt; dort fing mein Bau an, ich durfte damals noch nicht hoffen,
ihn je so beenden zu können, wie er in meinem Plane dastand, ich begann
halb spielerisch an diesem Eckchen und so tobte sich dort die erste
Arbeitsfreude in einem Labyrinthbau aus, der mir damals die Krone aller
Bauten schien, den ich aber heute wahrscheinlich richtiger als allzu
kleinliche, des Gesamtbaues nicht recht wĂŒrdige Bastelei beurteile, die zwar
theoretisch vielleicht köstlich ist â hier ist der Eingang zu meinem Haus, sagte
ich damals ironisch zu den unsichtbaren Feinden und sah sie schon sÀmtlich
in dem Eingangslabyrinth ersticken â, in Wirklichkeit aber eine viel zu
dĂŒnnwandige Spielerei darstellt, die einem ernsten Angriff oder einem
verzweifelt um sein Leben kÀmpfenden Feind kaum widerstehen wird. Soll
ich diesen Teil deshalb umbauen? Ich zögere die Entscheidung hinaus und es
wird wohl schon so bleiben wie es ist. Abgesehen von der groĂen Arbeit, die
ich mir damit zumuten wĂŒrde, wĂ€re es auch die gefĂ€hrlichste, die man sich
denken kann. Damals, als ich den Bau begann, konnte ich dort
verhĂ€ltnismĂ€Ăig ruhig arbeiten, das Risiko war nicht viel gröĂer als irgendwo
sonst, heute aber hieĂe es fast mutwillig auf den ganzen Bau aufmerksam
machen wollen, heute ist es nicht mehr möglich. Es freut mich fast, eine
gewisse Empfindsamkeit fĂŒr dieses Erstlingswerk ist ja auch vorhanden. Und
wenn ein groĂer Angriff kommen sollte, welcher GrundriĂ des Eingangs
könnte mich retten? Der Eingang kann tÀuschen, ablenken, den Angreifer
quĂ€len, das tut auch dieser zur Not. Aber einem wirklich groĂen Angriff muĂ
ich gleich mit allen Mitteln des Gesamtbaues und mit allen KrÀften des
Körpers und der Seele zu begegnen suchen â das ist ja selbstverstĂ€ndlich. So
mag auch dieser Eingang schon bleiben. Der Bau hat so viele von der Natur
ihm aufgezwungene SchwÀchen, mag er auch noch diesen von meinen
HÀnden geschaffenen und wenn auch erst nachtrÀglich, so doch genau
erkannten Mangel behalten. Mit all dem ist freilich nicht gesagt, daĂ mich
dieser Fehler nicht von Zeit zu Zeit oder vielleicht immer doch beunruhigt.
Wenn ich bei meinen gewöhnlichen SpaziergÀngen diesem Teil des Baues
ausweiche, so geschieht das hauptsÀchlich deshalb, weil mir sein Anblick
unangenehm ist, weil ich nicht immer einen Mangel des Baues in
Augenschein nehmen will, wenn dieser Mangel schon in meinem BewuĂtsein
mir allzusehr rumort. Mag der Fehler dort oben am Eingang unausrottbar
bestehen, ich aber mag, so lange es sich vermeiden lĂ€Ăt, von seinem Anblick
verschont bleiben. Gehe ich nur in der Richtung zum Ausgang, sei ich auch
noch durch GÀnge und PlÀtze von ihm getrennt, glaube ich schon in die
8
back to the
book Der Bau"
Der Bau
- Title
- Der Bau
- Author
- Franz Kafka
- Date
- 1931
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 29
- Categories
- Weiteres Belletristik